Gaza: 40 000 Tote sind 40 000 zu viel
Während sich der Konflikt auszuweiten droht, appellieren die GRÜNEN an Bundesrat Ignazio Cassis, seine Position – und damit diejenige der offiziellen Schweiz – im Israel-Palästina-Konflikt grundlegend zu überdenken. Der Bundesrat muss das Völkerrecht ins Zentrum seines Handelns stellen und die Tradition der Schweiz als neutrales und unparteiisches Land wahren. Andernfalls könnte sich die Schweiz dem Vorwurf aussetzen, sich an Kriegsverbrechen und anderen Völkerrechtsverletzungen mitschuldig zu machen, die ein unter Bedrängnis geratener Netanyahu im Verbund mit seiner rechtsextremen Regierung begeht. Bundesrat Ignazio Cassis muss das Schweigen der Schweiz endlich beenden und unserem Land wieder zu einer aktiven Rolle bei der Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe und der Zweistaatenlösung verhelfen.
Annähernd 40 000 Bewohner*innen des Gaza-Streifens, also 2 Prozent der dortigen Bevölkerung, wurden bereits durch die israelische Armee getötet. Zum grössten Teil handelt es sich dabei um Zivilist*innen, darunter tausende Kinder. Ausserdem haben die rund zwei Millionen Palästinenser*innen, die in diesem bitterarmen Gebiet leben, keinen Ort mehr, wo sie Zuflucht finden. Unter Verletzung des humanitären Völkerrechts werden regelmässig Schulen, Spitäler oder Waisenhäuser zum Angriffsziel. Es vergeht kein Tag, ohne dass wieder über ein neues Blutbad oder die Aufdeckung eines neuen Massengrabs berichtet wird. Das muss aufhören.
Die Kollektivbestrafung und die wahllose Bombardierung des palästinensischen Volkes, die auf den blutigen Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 folgten – von uns GRÜNEN umgehend verurteilt – sind unter keinen Umständen mit dem Völkerrecht vereinbar. Dasselbe gilt für die Besiedlung der palästinensischen Gebiete, welche seit fast 60 Jahren andauert und immer weiter ausgedehnt wird, trotz wiederholter Anklagen durch die Vereinten Nationen im selben Zeitraum. Daran hat der Internationale Gerichtshof kürzlich erinnert: Er benannte die durch den israelischen Staat begangenen zahlreichen und schwerwiegenden Völkerrechtsverletzungen und rief in Erinnerung, dass Israels Besetzung der palästinensischer Gebiete rechtswidrig ist.
Wenn sich die Schweiz an diesen Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Netanyahu-Regierung nicht mitschuldig machen möchte, muss sie aufhören, deren Position praktisch automatisch zu übernehmen. Sie muss stattdessen wieder eine unparteiische Haltung einnehmen, die sich an der Richtschnur des Völkerrechts orientiert, so wie ihr dies schon einmal nach der russischen Invasion der Ukraine gelang.
Konkret muss die Schweiz:
- Eine sofortige Waffenruhe, freie Fahrt für humanitäre Hilfstransporte sowie die Befreiung der israelischen Geiseln fordern;
- an die verschiedenen Akteure im Nahen Osten appellieren, Zurückhaltung zu üben und eine friedliche Lösung der Konflikte anzustreben;
- das der UNRWA zugebilligte Gesamtbudget freigeben und dieses konsequent erhöhen;
- die Sanktionen der europäischen Partner gegen die Hamas sowie gegen die extremistischen israelischen Siedler wiederaufnehmen;
- die Zusammenarbeit im militärischen Bereich, mit der Rüstungsindustrie und den Nachrichtendiensten der beteiligten Akteure aussetzen;
- die Durchführung einer unabhängigen internationalen Untersuchung der auf beiden Seiten begangenen Kriegsverbrechen unterstützen;
- Palästinas Staatlichkeit anerkennen und beide Parteien zur gegenseitigen staatlichen Anerkennung auffordern;
- die Beendigung der widerrechtlichen Besetzung palästinensischer Gebiete und den Rückbau der israelischen Siedlungen einfordern;
- den Prozess für einen ausgewogenen und gerechten Frieden aktiv unterstützen.
Für die GRÜNEN ist klar: Nur eine eindeutige Positionierung der Schweiz in Sinne des Respekts des humanitären und allgemeinen Völkerrechts von Seiten beider Konfliktparteien kann diese dazu zwingen, ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten im Bereich der Sicherheit, des Schutzes der Zivilbevölkerung und der Achtung internationaler Grenzen anzuerkennen.
Siehe auch:
- Statement von Balthasar Glättli (Präsident GRÜNE) vom 7. Oktober 2023
- Medienmitteilung GRÜNE Schweiz vom 10. Oktober 2023
- Statement von Balthasar Glättli (Präsident GRÜNE) vom 13. Oktober 2023
- Medienmitteilung GRÜNE Schweiz vom 11. November 2023
- Medienmitteilung GRÜNE Schweiz vom 04. März 2024
- Politische Vorstössen zum Nahkostkonflikt, welche die Mitglieder der Grünen Fraktion in der Frühjahrssession 2024 im Nationalrat einreichen
- Medienmitteilung GRÜNE Schweiz vom 24. April 2024
- Medienmitteilung GRÜNE Schweiz vom 30. April 2024