Von meiner Kindheit in Afghanistan bleiben mir friedvolle Erinnerungen. Ich sehe das lebendige Licht vor mir und die verschneiten Gipfel von Kabul, 1800 Meter über Meer.

In unserem Aufnahmeland, der Schweiz, wurde meiner Familie und mir viel Wohlwollen entgegengebracht. Die Integration war für mich der Schlüssel zu einem gelungenen Neustart. Meine Eltern unterstützten mich beim Erlernen der neuen Sprache, der Ausbildung und in meinen Freundschaften. Die Schweizer Lebensart gefiel mir, das politische System und die Freiheitsliebe der Bevölkerung faszinierten mich.

Die Politik war bei uns am Familientisch schon immer ein Thema. Es erstaunt daher wenig, dass ich am politischen Leben meiner neuen Heimat teilhaben wollte. Ich wohnte damals im Stadtzentrum von Genf – die Allgegenwärtigkeit des Autoverkehrs im öffentlichen Raum und dessen Auswirkungen auf die städtische Lebensqualität prägten mich. Obwohl sie selbst kein Auto besassen, waren es stets die gesellschaftlich Schlechtergestellten, die Lärm und Verschmutzung am meisten ausgesetzt waren. Diese soziale Ungerechtigkeit – die ungleiche Verteilung von Umweltrisiken auf die verschiedenen sozio-ökonomischen Schichten, die wir insbesondere auch beim Klimawandel beobachten – war für mich ein wichtiger Ansporn, mich  bei den GRÜNEN zu engagieren.

Meine Motivationsquelle als Exekutivmitglied der Stadt Onex ist die Nähe zur Bevölkerung und die Möglichkeit, mit konkreten Massnahmen auf ihre Sorgen zu antworten. Ich will Schluss machen mit der lähmenden Polarisierung zwischen Stadt und Land – und stattdessen aufzeigen, dass Mensch und Natur nachhaltig und harmonisch zusammenleben können.

Im Jahr 1999 kehrte ich nach Kabul zurück, um meinen Grossvater zu besuchen. Die Frauen und Mädchen, denen ich dort begegnete, hatten keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung oder auch nur zum öffentlichen Leben. Ich selbst wurde sofort als «Fremde» erkannt, selbst unter der Burka, denn mein Gang war zu aufrecht. Ich habe mich noch nie so nackt gefühlt wie im Bazar von Kabul: Komplett verhüllt war ich den Blicken der Männer – Taliban oder nicht – total ausgesetzt. Einmal hob ich meine Hosen etwas an, ganz wenig nur, denn mein Knöchel juckte, und es war, als würde das Leben um mich herum stillstehen und alle Augen sich auf dieses Fleckchen Haut richten. Diese Erfahrung ist typisch für eine Gesellschaft, welche die weibliche Sexualität unterdrückt – und ich teile sie mit den Afghaninnen von heute. Das macht mich wütend. Heissen wir sie in der Schweiz willkommen!

Maryam Yunus Ebener
Grüne Gemeinderätin von Onex
@EbenerYunus