Beim Asylrecht lehnt die Koalition insbesondere folgende vorgesehenen Bestimmungen dezidiert ab:

  • Ausschluss von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren von der Flüchtlingseigenschaft: Bundesrat und Verwaltung knüpfen mit dieser überflüssigen, aber gefährlichen Einschränkung der Flüchtlingsdefinition an die bewusste Fehlinterpretation eines Grundsatzentscheides der Asylrekurskommission (ARK) durch den abgewählten EJPD-Vorsteher Christoph Blocher an. Deserteure aus Eritrea werden auch weiterhin wegen der ihnen drohenden besonders harten Bestrafung mindestens vorläufig aufzunehmen sein. Die vorgeschlagene Regelung ist also lediglich eine populistische Augenwischerei.
  • Kriminalisierung öffentlicher politischer Betätigung: Unter dem Vorwand, der Schaffung von Nachfluchtgründen einen Riegel zu schieben, startet der Bundesrat einen ungeheuerlichen Angriff auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowohl von Asylsuchenden als auch von Schweizerinnen und Schweizern, die ihnen «insbesondere bei der Planung und Organisation» Hilfe leisten – mithin von Kirchenmitgliedern, Engagierten in Asylorganisationen und Hilfswerken und unter Umständen selbst von Medienschaffenden, die über öffentliche Aktionen von Asylsuchenden berichten.
  • Aufhebung der Möglichkeit, bei einer Schweizer Botschaft im Ausland um Asyl zu ersuchen: Obwohl allein im Jahr 2007 rund acht Prozent der auf Schweizer Botschaften eingereichten Gesuche gutgeheissen wurden, will der Bundesrat diese Verfahren – vordergründig um Kosten zu sparen – aufheben. Gerade Personen, die in ihrem Herkunftsland unmittelbar und ernsthaft gefährdet sind, würde damit ein sofortiger Schutz vor Verfolgung abgesprochen.
  • Nachweispflicht statt Glaubhaftmachung der Unzumutbarkeit einer Wegweisung: Mit der vorgesehenen Beweispflicht ignoriert der Bundesrat die Tatsache, dass es für die Betroffenen vielfach schlicht unmöglich ist, von der Schweiz aus schriftliche Dokumente zu beschaffen, die zum Beispiel das Fehlen eines Beziehungsnetzes im Herkunftsstaat beweisen könnten. Die vorgesehene Regelung hätte insbesondere für Frauen verheerende Konsequenzen. Frauenspezifische Fluchtgründe (z.B. drohende Ächtung und Freiheitsbeschränkung durch Ehemann oder Familie, Zwangsheirat oder Klitorisbeschneidung) sind in der Regel nicht beweisbar und werden deshalb heute bloss als Wegweisungshindernisse gehandhabt. Mit der vorgesehenen Regelung würde den betroffenen Frauen selbst dieser Schutz versagt.

Darüber hinaus kritisiert die Koalition die Ausdehnung des menschenunwürdigen Nothilfe-Regimes auf Personen mit so genannten Mehrfachgesuchen, die Verkürzung der Beschwerdefrist gegen abgelehnte Wiedererwägungsgesuche auf fünf Tage und die Einschränkung der Wohnsitzwahl bzw. der grundrechtlich gewährleisteten Niederlassungsfreiheit für vorläufig aufgenommene Personen.

Untauglicher Gegenvorschlag zur SVP-Ausschaffungsinitiative
In Bezug auf die vorgeschlagenen Änderungen im Ausländerrecht hält die Koalition fest, dass der Bundesrat nicht nur einen untauglichen Gegenvorschlag zur SVP-Ausschaffungsinitiative präsentiert hat, sondern darüber hinaus weitere Regelungen, die den ImmigrantInnen den Zugang zu einem gefestigten Anwesenheitsrecht (Niederlassung) massiv erschweren würden: Gegenüber ImmigrantInnen aus EU-Ländern sollen Drittstaatsangehörige eine Niederlassungsbewilligung nur mehr bei «besonders erfolgreicher Integration» erhalten können. Dass der Bundesrat dadurch weniger an einer raschen und guten integration der ImmigrantInnen interessiert ist als an einer schnellen «Entledigung» auch von langjährig anwesenden AsuländerInnen, räumt er im Bericht zur Gesetzesrevision offen ein. Diese integrationsfeindliche Stossrichtung der Revision zeigt sich auch daran, dass ausländische Ehegatten von SchweizerInnen oder Niedergelassenen die Niederlassungsbewilligung nach fünf Jahren Aufenthalt und Ehe nur noch unter der Voraussetzung guter Sprachkenntnisse erhalten sollen. Diese unwürdige diskriminierende Bestimmung würde wohl in erster Linie Frauen treffen. Aber auch Personen mit tieferem Bildungsniveau und eingegrenzten Möglichkeiten, sich während harter Tagesarbeit noch weiterbilden zu können, wären die Leidtragenden.

Auch der eigentliche indirekte Gegenvorschlag zur SVP-Ausschaffungsinitiative ist für die Koalition inakzeptabel: Statt die Initiative dezidiert abzulehnen, präsentiert der Bundesrat in einzelnen Bestimmungen Vorschläge, die nicht einmal von der SVP verlangt werden: So sollen auch Niederlassungsbewilligungen widerrufen werden können

  • wenn «die Ausländerin oder der Ausländer eine Person, für die sie oder er zu sorgen hat, auf Sozialhilfe angewiesen ist»
  • «behördliche Verfügungen missachtet» oder
  • «wenn der Aufenthalt der betroffenen Person mit grosser Wahrscheinlichkeit zu einem Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung führt.»

Dass neu auch bei einer bedingten Freiheitsstrafe (also beispielsweise Steuerbetrug, ungetreuer Geschäftsbesorgung oder Kursmanipulation) die Bewilligung zwingend widerrufen werden soll, zeigt mehr als deutlich, dass der Gesetzgeber das Augenmass völlig verloren hat und die ausländerrechtliche Massnahme zu einer Zusatzstrafe umfunktioniert würde. Auch bei dieser Vorlage würden Drittstaatenangehörige gegenüber EU-BürgerInnen massiv diskriminiert, da bei EU-BürgerInnen – gestützt auf das Freizügigkeitsabkommen – der Widerruf einer Bewilligung zum vorneherein nicht an eine bestimmte Strafhöhe geknüpft werden kann, sondern an das Kriterium «einer gegenwärtigen und hinreichend schweren, das Grundinteresse der Gesellschaft berührenden Gefahr für die öffentliche Ordnung». Der vom Bundesrat vorgelegte indirekte Gegenvorschlag zur «Ausschaffungsinitiative» erweist sich als untauglich und unnötig, vor allem aber als sachlich verfehlt.

Die ausführliche Vernehmlassungsantwort wird am 13. April aufgeschaltet.