In meinen Augen gibt es fünf Hauptgründe für ein Nein.

1. Der titelgebende Satz der Initiative ist der dritte: Die Ehe darf gegenüber andern Lebensformen nicht benachteiligt werden, namentlich nicht bei den Steuern und den Sozialversicherungen. Als Erstes stellt sich die Frage: Angenommen, es gäbe eine solche Benachteiligung, braucht es dann eine Verfassungsänderung, um sie zu beheben? Die Antwort lautet klar: nein! Das Verbot der Diskriminierung ist bereits in Art. 8 Abs. 2 BV enthalten. Dort heisst es: Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Lebensform. Das gilt generell, also auch bei Steuern und Sozialversicherungen. Was die Steuern betrifft, verlangt zudem Art. 127 Abs. 2 BV, jede Person sei nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu besteuern. Das beinhaltet das Verbot, Ehepaare gegenüber wirtschaftlich gleich gestellten Konkubinatspaaren zu benachteiligen. Aus formellen Gründen braucht es deshalb diese Initiative nicht.

2. Und wie sieht es tatsächlich aus? Ist die Ehe bei Steuern und Sozialversicherungen benachteiligt? Gibt es da eine «Heiratsstrafe»? Die Antwort ist weit überwiegend: nein. Früher gab es sie, sie wurde aber in den letzten zehn, zwanzig Jahre durch Gesetzesrevisionen sukzessive beseitigt. Zuerst zu den Steuern. Bei der direkten Bundessteuer ist das Ziel fast ganz erreicht, für 95 % der Ehepaare gibt es sie nicht mehr. Dies wegen des milderen Tarifs sowie wegen des Zweiverdiener- und des Verheiratetenabzugs, die beide seit 2008 gelten. Die kantonalen Steuergesetze wurden seit 1984 kontinuierlich angepasst. Die Regelungen sind zwar ziemlich unterschiedlich, aber sie benachteiligen Ehepaare nicht mehr.

Bei den Sozialversicherungen ist es noch klarer. Nimmt man die Gesamtheit der Eheleute und vergleicht sie mit der Gesamtheit der Unverheirateten, beide über den ganzen Lebenszyklus, sind die Ehepaare wegen diverser Spezialleistungen privilegiert, nicht benachteiligt. Gemäss Botschaft des Bundesrats profitieren die Ehepaare jährlich mit rund 800 Mio. Franken. Das kommt so.

Es gibt einen Nachteil aus dem Plafond von 150 % für Eheleute. Das ist unbestritten und macht im Jahr rund 2 Mrd. Franken aus. Doch es gibt die besagten Spezialleistungen für Verheiratete. Erstens werden bei der Berechnung der Renten die Einkommen der Ehepartner zusammengezählt und ihnen je zur Hälfte gutgeschrieben. Insgesamt erreicht ein Teil der Ehepaare so höhere Rentenbeträge. Zweitens wird den nicht-erwerbstätigen Ehegatten zugestanden, dass ihre erwerbstätigen Partner die Beitragspflicht erfüllen können. Voraussetzung: Der zahlende Partner muss pro Jahr mindestens den doppelten Mindestbetrag einzahlen, das sind 2 x 480 Franken, was bei 8,4 % Beitragshöhe knapp 12 000 Franken Jahreseinkommen entspricht. Auch das ist eine finanzielle Privilegierung gegenüber Unverheirateten. Drittens gibt es nur für Verheiratete und eingetragene Partner die Hinterlassenenrenten, sprich: Witwen- und Witwerrenten. Dasselbe gilt für den Zuschlag zur Rente für Verwitwete. Werden diese drei Vorteile zusammengezählt, machen sie gemäss Botschaft des Bundesrats 2,8 Mrd. Franken im Jahr aus. Die Nachteile aus dem Plafond werden damit mehr als aufgewogen. Würde der Plafond bei Ehepaaren vollständig beseitigt, müssten die genannten Spezialleistungen gestrichen werden, das wäre klar zum Nachteil der Ehepaare.

3. Die Bundesverfassung enthält heute keine Ehedefinition. Zu recht. Die CVP-Initiative hingegen sagt: «Die Ehe ist die auf Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau». Diese Fixierung gibt heute in breiten Bevölkerungskreisen und in allen Parteien zu reden. Die Definition der Ehe als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau kommt bei Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung als Diskriminierung an, auch in der CVP selbst. Daher gab es dort intern die Idee, zur eigenen Initiative einen Gegenvorschlag zu machen. Davon hat man dann wieder Abstand genommen. Aber Ende November 2015 stellte sich innerhalb der CVP die Fachgruppe der Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transmenschen und Intersexuellen deswegen gegen die Initiative. Versuche im Parlament, auch von uns Grünen, diese Bestimmung abzumildern, sind gescheitert. Damit würde im Falle einer Annahme der Initiative deren Ehedefinition gelten. Für eine Weiterentwicklung des Instituts der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare müsste dann zuerst die Verfassung geändert werden, heute dagegen würde eine gesetzliche Anpassung genügen. Für die Betroffenen eine unnötige Erschwernis und gesellschaftlich ein objektiver Rückschritt. Das können und wollen Grüne politisch nicht unterstützen.

4. Das vierte Argument zielt auf den ersten Satz des Textes. Er bestimmt die Initiative die Ehe als steuerliche Wirtschaftsgemeinschaft. Auch hier gilt, dass die Bundesverfassung bislang keine solche Einengung enthält. Und auch das ist gut so. Damit würde die Individualbesteuerung verunmöglicht (Besteuerung natürlicher Personen einzeln, unabhängig vom Zivilstand). Das ist die von uns Grünen favorisierte Art der Besteuerung. Damit würde die Berufstätigkeit der Frauen begünstigt und ihre wirtschaftliche Stellung gestärkt. Angesichts der Einwanderungsinitiative und des Fachkräftemangels in der Schweiz ist diese Forderung der Initiative erst recht verkehrt.

5. Die finanzpolitische Lage. Der Bund steht vor grossen finanzpolitischen Herausforderungen. Sparpaket folgt auf Sparpaket. Die Steuergesetzrevisionen wirken und es drohen weitere Ertragsausfälle. Neben den möglichen Kosten dieser Volksinitiative von bis zu 2 Mrd. Franken kommt bald die Milchkuhinitiative mit Kosten von rund 1,5 Mrd. Franken zur Abstimmung. Die UStR III, die jetzt beraten wird, kostet den Bund nochmals an die 1,5 Mrd. Franken. Dazu steht das Armeebudget vor einer Krediterhöhung. Das Total dieser möglichen Budgetverschlechterungen von mehr als 5 Mrd. Franken macht rund 8 Prozent des Bundeshaushalts aus. Damit würde sich die Schweiz überfordern. Als erstes gilt es, die Initiative abzulehnen und damit eine Investition in Rückschritte zu verhindern.

Zusammengefasst: Die Initiative ist unnötig, das Problem der Heiratsstrafe ist fast ganz gelöst. Sie diskriminiert zweitens Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung. Dazu verunmöglicht sie die Einführung der Individualbesteuerung. Und schliesslich überfordern Steuerausfälle von bis zu zwei Mrd. Franken den Bundeshaushalt. Deshalb empfiehlt Euch auch die GL ein Nein zu dieser Initiative.