Morgen reicht der Zürcher Freisinn in Bern seine Volksinitiative gegen das Verbandsbeschwerderecht ein. Das Beschwerderecht sorgt für einen Ausgleich zwischen Nutz- und Schutzinteressen. Es ist daher logischerweise ein konfliktträchtiges Instrument. Das Beschwerderecht zur Ursache der Konflikte zu machen, ist aber falsch. Tatsache ist, dass eine ganze Reihe von Bauherren und Investoren mit ihren Projekten gegen bestehende Umwelt- und Naturschutzauflagen verstösst. Kantone und Gemeinden bewilligen die Projekte dennoch. Sie versuchen sich so Standortvorteile zu verschaffen. Den Verbänden fällt die Rolle zu, an ihrer statt die Einhaltung von Natur- und Umweltrecht zu fordern.

Der wirtschaftsfreundlichen FDP geht es mit ihrer Initiative gegen das Beschwerderecht nur um eines: die Umweltauflagen so tief als möglich zu halten. Würden die Bauherren von Anfang an das geltende Umweltrecht einhalten, gäbe es keinen Anlass zur Beschwerde und ergo keine Verzögerung. Die Schuldfrage denjenigen zuzuweisen, die per Gesetz beauftragt sind, das Recht einzufordern, ist nichts als populistische Stimmungsmache. Die Bevölkerung hat das Eigeninteresse der FDP glücklicherweise durchschaut. Die Suche nach Unterschriften verlief entsprechend harzig. Mindestens 1,2 Mio. Franken waren nötig, um die Initiative zustande zu bringen.

Mit ihrer Initiative verlässt die FDP die bisherige verfassungsmässige Ordnung eines Gleichgewichtes zwischen Demokratie und Rechtsstaat. Die Initiative führt zum Vorrang eines Abstimmungsentscheides auf unterer Ebene vor bestehenden Bundesgesetzen. Raumplanungs- oder Umweltbestimmungen würden so ausser Kraft gesetzt. Es erstaunt, dass gerade die FDP eine Initiative lanciert, die den bisherigen Verfassungskonsens verlässt. Offenbar huldigt sie nun mehr einem populistischen Verständnis der Referendumsdemokratie als dem Rechsstaat. Kein Wunder also, wird die Initiative von keinem renommierten Staatsrechtler unterstützt.