GRÜNE: Herzlichen Glückwunsch zur Wahl, Irène! Du bist die 15. Frau im Nationalratspräsidium und die zweite GRÜNE. Wie fühlst du dich zu Beginn deines Präsidialjahrs?
Irène Kälin: Ich bin sehr stolz, dass jetzt eine junge Frau und GRÜNE dieses wichtige Amt ausüben darf. Gleichzeitig verspüre ich auch Demut gegenüber all den Generationen von Frauen, für die diese Art von politischer Mitbestimmung ausser Reichweite war. Vielleicht schliesst sich auch ein Kreis: Die ersten elf Frauen nahmen vor 50 Jahren just am Tag meiner Wahl im Nationalratssaal Platz.

Was ändert sich mit dieser neuen Funktion für dich und deine Art Politik zu machen?
Während einem Jahr bin ich als allererstes einfach Schweizerin. In dieser Funktion möchte ich für alle Bürger*innen, auch für Menschen ohne Schweizer Pass oder Menschen aus einem anderen politischen Lager Ansprechperson sein. Und dann gibt es noch kleine Dinge: Zum Beispiel muss ich während den Sessionen (noch) früher aufstehen…

… und du darfst auch nicht mehr abstimmen, richtig?
Ja, das stimmt. Abstimmen gehört als Nationalratspräsidentin tatsächlich nicht mehr zu meinen alltäglichen Aufgaben. Dafür darf ich bei Pattsituationen den Stichentscheid fällen. Das ist auch nicht schlecht.

Dein Motto lautet Vereinbarkeit. Was meinst du damit?
Mit Vereinbarkeit meine ich zwei verschiedene Vereinbarkeiten. Die eine – die Klassische – zwischen Familie und Beruf und Politik. Diesbezüglich steckt die Schweiz noch in den Kinderschuhen. Die andere ist die Vereinbarkeit zwischen verschiedenen Meinungen. Die Diskussionskultur im Parlament kannte eindeutig schon bessere Zeiten. Für mich bedeutet die Vereinbarkeit von allen politischen Positionen im Endeffekt, dass Kompromisse möglich sind, die am Schluss auch vor der Stimmbevölkerung bestehen.

Was möchtest du während deines Präsidialjahrs unbedingt erreichen?
Die Macht einer Nationalratspräsidentin ist leider – oder auch zum Glück – begrenzt. Politische Zeichen kann ich aber setzen: Dazu gehört beispielsweise die Durchführung eines Klimadialogs im Nationalratssaal. Ich möchte die Wissenschaft wortwörtlich ins (Bundes-)Haus holen und so auch noch die allerletzten Parlamentarier*innen überzeugen, dass mutiges Handeln gegen den Klimawandel wirklich Not tut. Das zeigt auch, wie wichtig es ist, dass auch GRÜNE im Amt des Nationalratspräsidiums vertreten sind.

Irène Kälin
Nationalrätin AG und Nationalratspräsidentin
@KaelinIrene