Peter Stamm sitzend im Park.
© Stefan Kubli

Vor Jahren habe ich in einem Interview gesagt, ich sei schon grün gewesen, bevor es die GRÜNEN gegeben hätte. Als ich meine Aussage dann in der Zeitung las, schämte ich mich dafür, es klang, als hätte ich das Grünsein erfunden. Dabei wollte ich nur sagen, dass meine Familie – wie viele andere – schon grüne Überzeugungen hatte, bevor die Partei gegründet wurde. Wir sammelten Geld für den WWF, lasen auf der Strasse Abfall zusammen, einmal verteilte ich an der Barriere mit der Schreibmaschine geschriebene Zettelchen an die Autofahrer*innen, auf denen «Bitte Motor abstellen» stand. Achtsamkeit würde man das heute vielleicht modisch nennen.

Anfänge in Weinfelden

Zu den GRÜNEN kam ich dann aber über eine freie Liste, die sich in Weinfelden gebildet hatte, um eine Umfahrungsstrasse zu verhindern. Nachdem wir unser Ziel erreicht hatten, traten die meisten von uns bei den GRÜNEN ein. Wann genau das war, kann ich nicht mehr sagen, aber es muss kurz nach der Gründung der Partei gewesen sein. Die ersten Jahre war ich ziemlich aktiv, aber als ich anfing, journalistisch zu arbeiten, zog ich mich etwas zurück, um durch mein Engagement nicht meine journalistische Neutralität zu gefährden. Neutral war ich allerdings trotzdem nicht. Noch heute bin ich stolz auf eine Klage des Militärdepartements, das unsere Nebelspalter-Crew 1995 wegen der «groben Beleidigung von Truppe und Kader, von Truppenärzten, Feldpredigern sowie Angehörigen der Militärjustiz und des EMD» vor dem Presserat verklagte (und nicht Recht bekam).

Kein mustergültiger GRÜNER

Die grünen Anliegen haben mir einfach immer eingeleuchtet. Früher sagte ich oft, wer nicht grün sei, müsse entweder dumm oder unmoralisch sein. Heute denke ich das nur noch. Und selbst wenn auch in unserer Partei lange nicht alles rund läuft, wenn es manchmal zu sehr um Personen statt um die Sache geht, an meinen Überzeugungen hat das nie etwas geändert. Dass unsere Anliegen berechtigt waren und sind, beweist schon, dass viele von ihnen inzwischen Allgemeingut geworden sind und dass selbst die SVP langsam begreift, dass das Klima sich ändert. Vielleicht auch das Klima, das diese Partei gross gemacht hat.
Ich bin kein mustergültiger GRÜNER. Ich fahre zwar wenig Auto, aber ich besitze eines. Und ich esse Fleisch und fliege auch mal mit dem Flugzeug in die Ferien. Ich habe mich immer gegen die Meinung gewehrt, dass nur grün sein könne, wer absolut konsequent lebe. Selbst der Fahrer eines spirtfressenden Autos kann für die Erhöhung der Treibstoffabgaben sein. Ich habe mich immer wohl gefühlt bei den GRÜNEN, auch wenn ich in letzter Zeit viel zu selten bei Anlässen dabei war oder Versammlungen besuchte. Aber eine Partei braucht nicht nur Aktivist*innen, sondern auch Wähler*innen und Sympathisant*innen. Und manchmal bin ich ja sogar Kandidat und hole für die Partei ein paar zusätzliche Stimmen. Meine Stimme jedenfalls gehört seit über dreissig Jahren den GRÜNEN. Und das wird auch so bleiben.

Peter Stamm
Freier Autor und
Journalist
www.peterstamm.ch