Maya Graf, wie hoch ist dein Puls einen Tag vor der Frauensession?
Die Vorfreude ist gross und die Nervosität natürlich auch. Es handelt sich um einen historischen Anlass: Es ist erst die zweite Frauensession seit 1991. Für die Organisation hat alliance f mit den vier anderen Schweizer Frauendachverbänden und der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen zusammengespannt.

Wieso braucht es nach 1991 genau jetzt die zweite Frauensession?
Weil jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Die Schweiz begeht dieses Jahr das erst 50-jährige Jubiläum des Frauenstimmrechts. Ein Anlass zum Zurückschauen – aber eben auch zum Vorwärtsgehen. Die tatsächliche Gleichstellung ist in der Schweiz noch lange nicht erreicht. Es gibt sehr viele offene Baustellen. Die Frauensession schafft die Gelegenheit, sich mit diesen Baustellen konkret auseinanderzusetzen und der Frauenbewegung zusätzlichen Schub zu verleihen.

In welchen Bereichen erhoffst du dir dank der Frauensession einen Durchbruch für die Gleichstellung der Geschlechter?
Genauso wie es an der Frauensession eine Vielfalt an Frauen gibt, gibt es auch eine Vielfalt an Themen, die wir angehen möchten: Renten, Lohnungleichheit, Gewalt gegen Frauen, ungenügende externe Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Einwohner*innenstimmrecht, der fehlende Elternurlaub. Auch die soziale Absicherung in der Landwirtschaft ist sehr wichtig. Wir wollen bei ALLEN diesen Themen vorwärtskommen! Wir müssen die Schweiz für die Zukunft fit machen. Dafür sind Gleichstellung, Nachhaltigkeit und Demokratie unabdingbar.

Wieso machen Frauen bessere Politik?
Ich denke, Frauen machen nicht per se bessere Politik. Aber sie sollten definitiv mehr miteinander Politik machen! Unsere Biografien, Erfahrungen und unser Lebensalltag müssen Teil der politischen Entscheidungsfindung auf allen Staatsebenen werden. Die Frauensession sendet ein starkes Zeichen für die Vernetzung der Frauen untereinander, auch über das Frauenstimmrechtsjubiläum hinaus. Die Frauensession soll Frauen ermutigen sich überall nachhaltig Gehör zu verschaffen.

Apropos Gehör verschaffen: Wie geht es mit den verabschiedeten Forderungen weiter nach der Frauensession?
Die Forderungen werden in Form von Petitionen ans Parlament überwiesen. Dort werden sie den zuständigen Fachkommissionen zugeteilt und so in die institutionelle Politik überführt. Die gewählten Parlamentarier*innen wandeln die Forderungen der Frauensession dann hoffentlich in Aufträge an Regierung oder Parlament um. Die Chancen dafür stehen gut: Einerseits enthält das aktuelle Legislaturprogramm des Parlaments eine ganze Reihe an Gleichstellungsforderungen, die in dieser Legislatur angegangen werden müssen. Andererseits ist vor allem der Nationalrat seit den Wahlen 2019 sehr viel weiblicher und jünger zusammengesetzt. Das stimmt zuversichtlich.

Wird es eine nächste Frauensession geben?
Vielleicht – aber das wird die nächste Generation von Feminist*innen entscheiden. Aber Politik soll Frau natürlich auch sonst machen: Die Frauensession hat ebenfalls zum Ziel, dass Frauen ermutiget werden für ein politisches Amt zu kandidieren. Die meisten kantonalen Parlamente und vor allem die Regierungen sind noch fest in Männerhand. Noch immer gibt es sechs Kantone, die ohne eine einzige Frau regiert werden. Und dies im Jahre 2021! Helvetia muss noch länger sehr laut rufen.