Agenda LGBTIQ+
Das Netzwerk Green LGBTIQ+ gibt es nun über vier Jahre. Wir haben verschiedene Treffen organisiert, uns ausgetauscht, diskutiert. Darauf aufbauend möchten wir festhalten, was wir in den nächsten Jahren im Parlament und im Netzwerk erreichen möchten – in unserer Agenda LGBTIQ+. Diese Agenda LGBTIQ+ wurde von der gleichnamigen Arbeitsgruppe ausgearbeitet, in der auch die Co-Koordinatoren des Netzwerks Green LGBTIQ+ mitwirken.
- Was wir erreichen wollen
- In dieser Legislatur setzt sich die Arbeitsgruppe LGBTIQ+ für folgende Ziele ein
1. WAS WIR ERREICHEN WOLLEN
Für uns GRÜNE ist klar: Allen Menschen stehen dieselben Rechte und Chancen zu, unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität und ihrer sexuellen und romantischen Orientierung. Dafür setzen wir uns seit Jahrzehnten als Pionier*innen ein – wir GRÜNE sind die parteipolitische Avantgarde der Gleichstellung. Seit unserer Gründung tragen wir GRÜNE den Wandel hin zu einer offenen Gesellschaft mit, indem wir uns für die Rechte von homo- und bisexuellen, trans, intergeschlechtlichen, non-binären und queeren Menschen einsetzen.
Wir GRÜNE haben seit 1998 im Parlament für die Ehe für alle gekämpft – ihre Einführung ist ein Meilenstein für die Schweiz, vor allem aber für die Gleichstellung von LGBTIQ+ Menschen. In der Schweiz sind einengende moralische Vorstellungen über Geschlechterrollen und über sexuelle und romantische Orientierungen auf dem Rückzug, die Einteilung nur in Mann und Frau weicht sich langsam auf – doch die bürgerliche Mehrheit im Parlament tut sich schwer damit und es gibt starken Druck von rechts, um traditionelle Geschlechter- und Familienbilder zu konservieren.
Weltweit hingegen sind die Rechte von LGBTIQ+ Menschen in vielen Ländern auf dem Rückzug, und die Repressionen gegen die Freiheiten nehmen tendenziell zu. Das soll uns daran erinnern, dass das Erreichte niemals garantiert ist.
2. IN DIESER LEGISLATUR SETZT SICH DIE ARBEITSGRUPPE LGBTIQ+ FÜR FOLGENDE ZIELE EIN
2.1 DIVERSITÄT LEBEN
Immer mehr Menschen fühlen sich der binären Geschlechterwelt nicht mehr zugehörig. Viele werden Opfer von Diskriminierung. Die fixe Einteilung in zwei Geschlechter prägt unseren Alltag stark und zwängt viele Menschen in starre Rollen, die nicht ihren eigenen Bedürfnissen und Identitäten entsprechen. Wir wollen deshalb
- Eine Anerkennung der Existenz non-binärer Menschen durch einen dritten Geschlechtseintrag, der die Kategorien weiblich und männlich ergänzt.
- Eine breite Diskussion, wie wir Kategorien wie die Geschlechtsidentität oder die sexuelle und romantische Orientierung als entscheidende soziale Marker überwinden.
- Eine Kampagne gegen psychische und körperliche Gewalt gegen LGBTIQ+ Menschen durchführen.
- LGBTIQ+ Menschen gegen Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und am Arbeitsplatz schützen.
- Gezielte Begleitung der öffentlichen Einrichtungen, insbesondere Sicherheits-, Bildungs- und medizinischen Einrichtungen, damit diese die Geschlechtervielfalt besser verstehen.
- Die Sensibilisierung für die Vielfalt der Geschlechter und der sexuellen und romantischen Orientierung in die Lehrpläne der Schulen unter Einbeziehung von Personen aus der LGBTIQ+-Gemeinschaft aufnehmen.
2.2 ZUSAMMENLEBEN ABSICHERN
Die Ehe für alle war ein grosser Erfolg für die queere Community. Die Abstimmung hat gezeigt, wie sich in den letzten Jahrzehnten die Gesellschaft verändert hat. Die Öffnung der Ehe hat eine zentrale Gleichstellung unter Paaren gebracht. Aber sie ist starr und vielen zu reglementiert, sie wünschen sich eine einfachere Absicherung.
- Wir vereinfachen das Zusammenleben im Konkubinat, indem wir bessere rechtliche Absicherungen ohne komplizierte Vertragswerke schaffen.
- Wir machen den PACS («pacte civil de solidarité») für alle Partnerschaften zugänglich.
2.3 TRANS- UND NON-BINÄRE MENSCHEN UNTERSTÜTZEN
Die Geschlechtsidentität ist eine persönliche Frage und alle Menschen haben das Recht, ihrer Identität entsprechend zu leben. Mit der Vereinfachung der Geschlechtseintragsänderung wurden 2022 Erleichterungen eingeführt. Doch in anderen Bereichen besteht Handlungsbedarf, um Transmenschen zu stärken.
- Wir erweitern die Antirassismus-Strafnorm um die Begriffe der Geschlechtsidentität und der Geschlechtsmerkmale, und schützen damit Transmenschen vor Äusserungen und Handlungen, die sich gegen sie wenden.
- Wir fordern die Einführung eines Verzeichnisses aller Gewalttaten gegen Transmenschen.
- Wir unterstützen den erleichterten Zugang zu geeigneter Begleitung, zu Medikation und zu chirurgischen Massnahmen, die die gewählte Transition begleiten, und wir fordern die Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen.
- Wir fordern eine angemessene Begleitung innerhalb des Schulsystems, um junge Transmenschen zu unterstützen.
- Wir ermöglichen Trans- und non-binären Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu Freizeitangeboten, insbesondere im Sportbereich.
2.4 INTERGESCHLECHTLICHE MENSCHEN UNTERSTÜTZEN
Eine medizinische Behandlung ist bei intergeschlechtlichen Kindern nur selten lebensnotwendig oder aus gesundheitlichen Gründen angebracht. Es finden aber immer noch ungerechtfertigte chirurgische Eingriffe und hormonelle Behandlungen statt. Dies beraubt intergeschlechtlichen Menschen des Selbstbestimmungsrechts.
- Wir verhindern medizinisch nicht notwendige Operationen an intergeschlechtlichen Kindern.
- Wir gewährleisten eine angemessene, insbesondere medizinische, Begleitung von intergeschlechtlichen Menschen.
- Wir verhindern, dass intergeschlechtlichen Kindern automatisch ein Geschlecht zugewiesen wird.
- Wir ermöglichen intergeschlechtlichen Menschen einen gleichberechtigten Zugang zu Freizeitangeboten, insbesondere im Sportbereich.
- Wir unterstützen junge intergeschlechtliche Menschen durch eine angemessene Begleitung im schulischen Umfeld.
2.5 KONVERSIONSTHERAPIEN VERBIETEN
Es gibt sie noch: Therapien, die angeblich LGBTIQ+ Menschen auf den «normalen» Pfad bringen sollen. Sie führen zu Leid und vergrössern das Dilemma der betroffenen Jugendlichen und Erwachsenen, statt sie in einem selbstbestimmten Leben zu unterstützen. Durch das Verbot von Konversionstherapien in umliegenden Ländern sind verschiedene Organisationen in die Schweiz ausgewichen.
- Wir verbieten Konversionstherapien in der Schweiz.
2.6 UNSERE INTERNATIONALE VERANTWORTUNG WAHRNEHMEN
In vielen Ländern gibt es statt Fortschritte Rückschläge und die Situation von LGBTIQ+ Menschen wird schwieriger. In vielen Ländern wird Homosexualität strafrechtlich verfolgt, in mehreren Ländern gilt sogar die Todesstrafe. Selbst in nahen Ländern wie Ungarn verschlechtert sich die Situation.
- Unsere Aussenpolitik und Aussenwirtschaftspolitik haben einen Fokus auf die Situation von LGBTIQ+ Menschen und fordern die Einhaltung menschenrechtlicher Standards ein.
- Wir gewähren den Flüchtlingsstatus allen Menschen, die aus Ländern flüchten, in denen sie kriminalisiert und strafrechtlich verfolgt werden.
- Wir begleiten und schützen LGBTIQ+ Asylsuchende während des gesamten Asylverfahrens.
- Wir unterstützen und verteidigen LGBTIQ+ Aktivist*innen und Organisationen auf der ganzen Welt.
2.7 FÜR UNSERE GESUNDHEIT
Die Gesundheitsversorgung muss allen offenstehen und darf keine Menschen diskriminieren. Das lange Warten auf den Impfstoff gegen die Mpox hat gezeigt, wie dringend das Thema weiterhin ist.
- Wir wollen einen kostenlosen und anonymisierten Zugang zu HIV-Tests und Tests auf sexuell übertragbare Infektionen erhalten.
- Wir wollen ein rasches Handeln der Behörden im Falle von Infektionskrankheiten, die LBGTIQ+ Menschen besonders gefährden.
- Wir verlangen vom Gesundheitspersonal einen respektvollen und professionellen Umgang mit LGBTIQ+-Personen.
- Wir gewähren intergeschlechtlichen und Trans-Menschen Zugang zu einer angemessenen und qualitativ hochwertigen medizinischen Betreuung.
- Wir führen Massnahmen zur Suizidprävention bei LGBTIQ+ Menschen ein.
2.8 DEN ZUGANG ZUR ELTERNSCHAFT FÖRDERN
Mit der Ehe für alle wurde die Adoption für schwule Paare ermöglicht. Die Adoption durch den zweiten Elternteil ist aber nach wie vor mit administrativen Hürden verbunden. Weiterhin nicht anerkannt ist in der Schweiz die Leihmutterschaft, weshalb Paare auf eine Leihmutterschaft im Ausland ausweichen. Die Legalisierung der Leihmutterschaft in der Schweiz würde es ermöglichen, ethische Richtlinien zum Schutze der Leihmutter und eine Klärung des rechtlichen Status des Kindes zu etablieren. Gleichzeitig gibt es grosse Bedenken gegen die Leihmutterschaft, die oft ein Geschäftsmodell ist.
- Wir fordern ein vereinfachtes Adoptionsverfahren für den zweiten Elternteil.
- Wir wollen die Elternschaft von mehr als zwei Personen ermöglichen, indem z. B. der Status von Co-Eltern anerkannt wird.
- Wir fordern die Anerkennung in der Schweiz von im Ausland durchgeführten Fortpflanzungsverfahren.
- Die GRÜNEN entwickeln eine Parteiposition zur Leihmutterschaft.