In den nächsten Jahren werden die agrarpolitischen Weichen neu gestellt. Pestizide, Überdüngung und Massentierhaltung haben die Bäuerinnen und Bauern in eine Sack-gasse geführt. Anstatt die dringenden Reformen anzupacken, blockieren die bürgerlichen Parteien im Parlament die nötigen Verbesserungen. Sie wollen die Beratung der künftigen Agrarpolitik (AP22+) sistieren. Und sie bekämpfen die beiden Volksinitiativen «zum Schutz des Trinkwassers» und «Leben statt Gift» mit einem unverbindlichen, «informellen» Gegenvorschlag. Wir GRÜNE lassen uns nicht mit Alibi-Übungen abspeisen und engagieren uns für eine nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft. Es braucht rasche Antworten auf die globale Klimakrise und auf die Bedrohung der Biodiversität und der natürlichen Ressourcen. Diese Antworten sollen auch den Bäuerinnen und Bauern neue Perspektiven bringen.

Im Herbst 2018 wurde über die «Fair-Food-Initiative» der GRÜNEN abgestimmt. Sie wollte Erzeugung, Verarbeitung, Handel und Konsum von Lebensmitteln an Nachhaltigkeitszielen ausrichten. Würde die Initiative heute zur Abstimmung kommen, wären ihre Chancen gross. Dank den Klimastreikbewegung ist das Bewusstsein weiter gewachsen, dass es einen Kurswechsel braucht. Die zerstörerischen Folgen der chemie- und energiebasierten Intensiv-Landwirtschaft lassen sich nicht mehr unter den Tisch wischen. Nur ein konsequenter Arten-, Klima-, Boden- und Gewässerschutz kann die Ernährung der Weltbevölkerung sicherstellen. Die Umstellung unserer Lebensmittelproduktion und Ernährung leistet auch einen entscheidenden Beitrag im Kampf gegen die Klimakrise. Ein Drittel der konsumbedingten Umweltbelastung entsteht mit unserer Ernährung.

Die grüne Reformagenda für die Land- und Ernährungswirtschaft 2021 setzt folgende Schwerpunkte:

  • Erhalt und Regeneration der natürlichen Ernährungsgrundlagen: Der ganzheitliche Schutz und der Wiederaufbau der Ökosysteme sind für die GRÜNEN zentrale Pfeiler einer ökologischen Landwirtschaft. Nur durch intakte, gesunde und artenreiche Landschaften und Böden kann die landwirtschaftliche Produktion langfristig sichergestellt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Schweiz den Einsatz von synthetischen Pestiziden und Düngemitteln rasch senken, die Nährstoffkreisläufe schliessen und den Klimawandel bekämpfen. Dazu braucht es verbindliche Absenkpfade und Lenkungsabgaben, auch für synthetische Dünger und Tierfutterimporte. Durch die Durchsetzung des «Feed-No-Food» und des «Nose-to-Tail»-Prinzips werden die Tierbestände in der Schweiz auf ein klimaverträgliches Mass reduziert. Damit die Wirkung nicht durch Importe verpufft, müssen zwingend strenge ökologische und soziale Standards auch für Importe gelten. Die Produktion erneuerbarer Energie (Solardächer und Biogasanlagen) und natürliche Kohlestoffsenken (Humusaufbau) bringen den Bäuerinnen und Bauern neue Einkommensmöglichkeiten und dem Klima ein besseres Gleichgewicht.
  • Kulturlandschutz durch griffige Raumplanung: Bäuerinnen und Bauern brauchen ausreichend fruchtbare Bodenflächen. Wir dürfen nicht noch mehr wertvolles Kulturland verlieren. Dazu braucht es in den nächsten Jahren eine konsequente Umsetzung des Raumplanungsgesetzes und eine Siedlungsentwicklung nach innen. Ausserhalb der Bauzonen dürfen keine Wohnsiedlungen entstehen. Stattdessen sollen nachhaltige Quartiere und bezahlbarer Wohnraum in den Städten gefördert werden.
  • Faire Preise für eine regionale, bäuerliche Landwirtschaft: Auch in der Schweiz führen Marktöffnungen und steigender Preisdruck zu einer Intensivierung der Produktion mit entsprechend negativen Folgen für die Umwelt und das Tierwohl. Dieser Trend muss gebrochen werden. Um den Landwirten und Bäuerinnen eine Perspektive zu geben und den landwirtschaftlichen Angestellten menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Entlohnung zu bieten, ist eine bessere soziale Absicherung und mehr Schutz vor Dumpingpreisen nötig. Dazu braucht es Transparenz über die Preise und Margen in der gesamten Wertschöpfungskette, verbindliche Branchen-Kodices und Ombudsstellen. Im Rahmen der AP22+ sollen zudem Direktvermarktung und regionale Lebensmittelnetzwerke stärker unterstützt werden. Bäuerliche Arbeit braucht mehr Wertschätzung!
  • Fairer Handel statt Freihandel: Mit der «Fair-Food-Initiative» haben die GRÜNEN eine innovative Lösung für fairen Handel auf den Tisch gelegt. Ein Teil davon ist mit dem neuen Verfassungsartikel 104a «Ernährungssicherheit» in die Bundesverfassung aufgenommen worden. Ein neues Handelsgesetz muss den Verfassungsauftrag nun umsetzen. Auch ausserhalb von Freihandelsabkommen sind soziale und ökologische Mindeststandards für importierte Lebensmittel diskriminierungsfrei durchzusetzen.
  • Eine Vom-Hof-auf-den-Tisch-Strategie soll Produktion und Konsum, Vorleistungen, Verarbeitung und Handel gleichermassen in die Pflicht nehmen. Begleitmassnahmen sorgen dafür, dass niemand zurückgelassen wird und dass die Strategie nicht durch den Import von nicht nachhaltigen Produkten untergraben wird. So schaffen wir – gleich wie dies der Europäische Green Deal will –den Rahmen für eine Transformation des Land- und Ernährungssystems, welche auch die Erreichung der Klimaziele unterstützt.
  • Kostenwahrheit und gesunde Ernährung für alle: Für die GRÜNEN darf die Qualität unseres Essens keine Frage der Kaufkraft sein. Billigkalorien mit hohen ökologischen Folgekosten können nicht länger zur Korrektur einer verfehlten Sozial- und Bodenpolitik missbraucht werden. Vielmehr müssen Bedingungen geschaffen werden, damit sozial, umwelt- und tierfreundlich produzierte Lebensmittel für alle selbstverständlich und erschwinglich sind. Lenkungsabgaben, differenzierte Mehrwertsteuersätze, Grenzschutzmassnahmen für nachhaltige Produkte und Direktzahlungen setzen die richtigen Anreize.
  • Food Waste minimieren: Ein wichtiger Schritt zur Senkung der Lebensmittelkosten, aber auch zur Verminderung des ökologischen Fussabdrucks ist die Minimierung von Lebensmittelverlusten. Food Waste soll bis 2030 um 70 Prozent reduziert werden. Durch gezielte Preisanreize und eine Mehrwertsteuerbefreiung sollen gesunde und unverarbeitete Lebensmittel wie Obst und Gemüse gefördert werden. Ungesunde Produkte wie Zucker oder gesättigte Fettsäuren sollen höher besteuert werden.
  • Wissen, was wir essen: Das Wissen über ein nachhaltiges Ernährungssystem soll in Schule und Ausbildung gezielt gefördert werden. Damit sich die Konsument*innen für nachhaltige Produkte entscheiden können, muss zudem die Deklaration von Lebensmitteln verbessert werden. Handlungsbedarf besteht vor allem bei verarbeiteten Lebensmitteln. Die Digitalisierung soll Transparenz über Herkunft, Produktionsweisen und Margen der einzelnen Rohstoffe und die Lieferketten schaffen. Weiter sind die Umweltauswirkung (Anbau, Transport) sowie die Folgen für die menschliche Gesundheit bei allen Produkten zu deklarieren.
  • Ernährungssouveränität statt Konzernmacht: Der Welthandel und die Produktion von Nahrungsmittel werden heute von wenigen, profitorientierten Grosskonzernen gesteuert. Durch den Ausbau der öffentlichen Forschung im Bereich Züchtungen und Pflanzenschutz und mit einer öffentliche Saatgutdatenbank soll die Ernährungssouveränität gestärkt werden. Um den globalen Giftkreislauf zu stoppen, sind grenzüberschreitende Spielregeln nötig: In der Schweiz nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel werden auch für importierte Lebensmittel ausgeschlossen. Gleichzeitig dürfen in der Schweiz verbotene Pestizide nicht in andere Länder exportiert werden. Die Konzernverantwortungsinitiative sorgt dafür, dass Schweizer Konzerne im Ausland Sozial- und Umweltstandards einhalten. Zudem muss das Gentech-Moratorium in der Landwirtschaft verlängert werden, denn die Gentechnologie birgt unkontrollierbare Risiken und stärkt die Macht der multinationalen Konzerne. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Koexistenz ist in der kleinräumigen Schweiz nicht umsetzbar.
  • Innovation: Der Bund fördert die Weiterentwicklung von Landwirtschaft und Ernährung und richtet die Forschung, Bildung und Beratung entsprechend aus. Er schafft und unterstützt zudem Direktvermarktungs-Plattformen entlang der Wertschöpfungsketten und Innovationsnetzwerke. Mit Zielvereinbarungen nimmt er die Branchen-, Label- und anderen Organisationen in Pflicht und stärkt damit die Selbstverantwortung innerhalb der Branche.
  • Rechte von Bäuerinnen: Die soziale Absicherung von Bäuerinnen in der Schweizer Landwirtschaft muss verbessert werden. Es braucht verpflichtende Regeln für eine Ri-siko-Versicherung bei Arbeitsausfall, Invalidität und Mutterschaft sowie eine Stärkung der Altersvorsorge. Damit wird der Leistung der Bäuerinnen mehr Wert beigemessen und ihre Autonomie gestärkt.

Die Delegiertenversammlung der GRÜNEN bekräftigt ihr jahrzehntelanges Engagement für eine bäuerliche, soziale sowie umwelt- und tierfreundliche Ernährungswirtschaft entlang der globalen Wertschöpfungskette. Weil die dringenden Agrarreformen in der nationalen Politik blockiert sind, können nur die Trinkwasser- und Pestizid-Initiativen den Wandel beschleunigen. Die Grünen engagieren sich insbesondere für die Pestizid-Initiative, da diese auch die Importe regelt und Wettbewerbsgleichheit schafft. Gemeinsam wollen wir die aktuelle Blockade überwinden und zukunftsorientierte Bündnisse schaffen.

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