1. Grundsätzliche Bemerkungen
Im Zusammenhang mit der Revision der rechtlichen Grundlagen von UVP und VBR durch die Parlamentarische Initiative Hofmann ist auch beschlossen worden, dass die Anlagetypen und Schwellenwerte sporadisch zu überprüfen seien. Dagegen ist nichts einzuwenden.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass das Parlament von einem Antrag Rutschmann (SVP, Kanton Zürich) in der Herbstsession 2006 nichts wissen wollte. Rutschmann hatte verlangt, dass das Parlament die Verordnung/ Anlagetypen/Schwellenwerte zur Genehmigung vorgelegt bekommt.

Mit der Ablehnung des Antrags Rutschmann hat sich das Parlament zu Recht gegen die „Verpolitisierung der Schwellenwerte“ gestellt. Genau dies ist aber nun teilweise geschehen. Der vom BAFU vorgelegte Entwurf des Anhanges der UVPV zeigt, dass der permanente Druck im umstrittenen Bereich des Einkaufsverkehrs die Zahlen beeinflusst hat.

Die unbefriedigende Situation für Investoren grosser Einkaufszentren ist von Seiten der Umweltorganisationen anerkannt. Die Rechtsungleichheit zwischen ALDI/LIDL (viele Parkplätze, kaum Anbindung an öffentlichen Verkehr, Gemeinden bewilligen Bauten ohne Bedenken) und Anlagen, die über die UVP-Schwelle fallen (Grossverteiler, die an Auflagen gebunden sind) ist bekannt und stossend.

Nach Ansicht der Grünen müssen aus diesen Gründen die Schwellenwerte gesenkt werden. Mit dem erleichterten UVP-Verfahren – die Voruntersuchung gilt in Zukunft häufig bereits als Hauptuntersuchung – entstehen den Investoren kaum zusätzliche Kosten. Für die Gemeinden und Kantone entsteht mehr Transparenz, und sie erhalten mehr Steuerungsmöglichkeiten für den zweifellos problematischen Mehrverkehr solcher Anlagen.

Zudem vollziehen die Kantone die Auflagen (Anbindung an öffentlichen Verkehr, Parkplatzbewirtschaftung etc.) unterschiedlich und schaffen damit Rechtsungleichheit. Dieser Kantönligeist auf Kosten der Umwelt (und offenbar auch zum Missfallen von Investoren) muss durch ein einheitliches Verfahren gestoppt werden.

1. Bemerkungen zu den einzelnen Anlagetypen

1.1. Parkhäuser
Anträge

  1. Die Schwellenwerte „11.4 Parkhäuser“ und „80.5 Einkaufszentren und Fachmärkte“ sind zu senken.
  2. Sie sind so anzusetzen, dass alle verkehrsintensiven Einrichtungen mit erheblichen Umweltauswirkungen (inklusive Aldis, Lidls etc.) erfasst und gleich behandelt werden.
  3. Die aktuelle Beste Praxis aller Kantone ist als Schwellenwert für 11.4 und 80.5 zu definieren. Vorschlag: UVP-Pflicht ab 80 Parkplätzen, wenn an mehr als 100 Tagen mehr als 500 zusätzliche Fahrten erzeugt werden.
  4. Die Schwellenwerte sind auf jeden Fall so zu wählen, dass Aldi, Lidl und ähnliche Formate erfasst werden (typische Grösse: 800 bis 1000 m2 Ladenfläche, 50 bis 150 Parkplätze).

Begründung 1: Erheblichkeit der Umweltauswirkungen

USG Artikel 10a Absatz 2) verlangt, dass Anlagen mit erheblichen Umweltauswirkungen, bei denen die Vorschriften über den Schutz der Umwelt voraussichtlich nur mit projekt- oder standortspezifischen Massnahmen eingehalten werden, der Umweltverträglichkeitsprüfung unterstellt werden.

Das Umweltschutzgesetz darf nicht auf dem Verordnungsweg unterlaufen werden.
Die Schwellenwerte 11.4 und 80.5 sind demzufolge so anzusetzen, dass alle Anlagen mit erheblichen Umweltauswirkungen erfasst werden. Die Schwellenwerte müssen nach der Argumentation des BAFU gesenkt werden, damit das übergeordnete USG eingehalten werden kann.

Die Umweltverträglichkeitsprüfung umfasst eine Analyse und Beurteilung unter allen Umweltgesichtspunkten. Wirtschaftliche, politische oder soziale Rahmenbedingungen bzw. Rechtsbereiche sind deshalb nicht Gegenstand der UVP. Dementsprechend sind sie auch keine sachgerechten Kriterien zur Beurteilung der Erheblichkeit von Umweltbelastungen bzw. Belastungen von Umweltbereichen durch gegebenenfalls der UVP zu unterstellende Anlagen. Die Berücksichtigung nicht sachgerechter Kriterien gilt selbst bei Ermessensentscheiden als willkürlicher Ermessensmissbrauch und ist vor Gericht anfechtbar.

1.1.1. Vereinfachtes Verfahren ermöglicht tiefere Schwellenwerte
Die Vernehmlassungsvorlage berücksichtigt nicht, dass mit der am 1. Juli 2007 in Kraft getretenen USG-Revision das UVP-Verfahren für alle jene Fälle wesentlich vereinfacht wurde, in denen bereits mit der Voruntersuchung die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt und die Umweltschutzmassnahmen abschliessend ermittelt und dargestellt werden können. Es gilt nach neuem Recht bereits die Voruntersuchung als Umweltverträglichkeitsbericht.

Diese Bestimmung legt ebenfalls eine Beibehaltung bzw. sogar Senkung der Schwellenwerte nahe, weil damit auf einfache und unbürokratische Weise die vom Gesetzgeber mit der UVP angestrebte Zielsetzung realisiert werden kann, bei allen Anlagen, welche die Umwelt erheblich belasten können, die Umweltverträglichkeit in dem Projekt angemessener Form abzuklären. Jedenfalls spricht dieser Umstand klar gegen die vorgesehene Erhöhung der Schwellenwerte.

Tiefere Schwellenwerte führen dank des beschleunigten UVP-Verfahrens zeitgerecht zu einem insgesamt besseren Endergebnis.

1.1.2. Statistik: Emissionen von VE
Auf Antrag der Vereinigung Schweizerischer Verkehrsingenieure (SVI) wurden im Rahmen des Forschungsauftrags SVI 2001/545 Planungsgrundlagen und Gesetzmässigkeiten publikumsintensiver Einrichtungen abgeklärt. Daraus ergibt sich, dass Einkaufszentren und Fachmärkte auch bei zentraler Lage erheblichen Verkehr auslösen.

Bereits Anlagen unterhalb der heutigen Schwellenwerte verursachen nach der geltenden Rechtspraxis überdurchschnittliche und somit erhebliche Belastungen.
Eine Erhöhung der Schwellenwerte unterläuft somit die Ziele des USG.

1.1.3. Aktuelle Rechtspraxis
Ein klarer Hinweis, dass die Umweltbelastung von Parkierungsanlagen bereits deutlich unterhalb des aktuellen Schwellenwerts von 300 Parkplätzen erheblich sein kann, ergibt sich auch aus verschiedenen bundesgerichtsentscheiden (Schlieren, Pratteln, Genf). Diese entscheide zeigen, dass auch bezüglich der Parkplätze die Schwellenwerte der UVPV heute sehr hoch angesetzt sind und deshalb keinesfalls weiter erhöht werden dürfen.

1.1.4. Forderung nach Gleichbehandlung
Espace.mobilité stellt fest, dass Aldi und Lidl an 350 Standorten über 40’000 Parkplätze bauen, ohne dass diese die gleichen Bedingungen wie UVP-pflichtige Anlagen erfüllen müssen. Dies ist auch nach Auffassung der Grünen stossend. Das Rechtsprinzip der Gleichbehandlung ist zu gewährleisten – kein Wettbewerb auf Kosten der Umwelt!

Materiell sieht die UVPV explizit keinen Unterschied für Anlagen unter- oder oberhalb der Schwellenwerte vor (Art. 4): Bei Anlagen, die nicht der UVP-Pflicht unterliegen, werden die Vorschriften über den Schutz der Umwelt (Art. 3) angewendet, ohne dass ein Bericht nach Artikel 7 erstellt wird. In der Praxis wird dies kaum gemacht. Dies führt zu einer Verzerrung des Wettbewerbs auf Kosten der Umwelt und zu Lasten der grossen Einkaufszentren.

Gleichbehandlung innerhalb des geltenden Rechts ist nur möglich, indem sich kleinere Anlagen ebenfalls der strengeren Rechtspraxis unterziehen müssen und die Schwellenwerte entsprechend tiefer angesetzt werden.

1.1.5. Kantonale Praxis
Die Kantone und Gemeinden haben neben der Umweltbelastung meist auch erhebliche Folgekosten von verkehrsintensiven Einrichtungen zu übernehmen. Das regionale Verkehrsnetz (Strassen, öffentliche Verkehrsmittel) weist häufig die nötige Kapazität nicht auf und muss unter Kostenfolge für Gemeinde und Kanton ausgebaut werden.

Werden die Schwellen heraufgesetzt, haben die Behörden noch weniger Möglichkeiten zur Einflussnahme als heute. Sind kleinere oder grössere Einkaufszentren im kommunalen Zonenplan nicht explizit ausgeschlossen, sind die Behörden faktisch machtlos, wenn ein Investor ein solches plant. Oft kann in der Realität nur Einfluss genommen werden, wenn sie über der UVP-Schwelle liegen. Aldi, Lidl etc. schlüpfen bislang durch alle Maschen.

1.2. Schifffahrt
Vorgesehen ist, bei Bootshäfen neu zu unterscheiden zwischen Bootshäfen in Fliessgewässern (50) und solchen in Seen (100).

Antrag: Der Schwellenwert von Bootsplätzen in Seen sollte in Abhängigkeit von der Wasserfläche differenziert werden.

1.3. Erzeugung von Energie
Anlagen zur Nutzung der Windenergie werden neu der UVP-Pflicht unterstellt. Windenergieanlagen können beträchtliche Auswirkungen auf die Umwelt haben. Die Aufnahme in den Anhang ist daher zu unterstützen.

1.4. Wasserbau
Bei Verbauungen usw. beträgt der Schwellenwert heute 15 Millionen Franken. Die kantonalen UVP-Fachstellen würden eine Senkung auf 5 Millionen Franken begrüssen, da schon kleinere Anlagen erhebliche Umweltauswirkungen haben können. In der Verordnung ist nun ohne Begründung ein Schwellenwert von 10 Millionen vorgesehen.

Antrag: Schwellenwert von 5 Millionen Franken.

1.5. Sport, Tourismus und Freizeit
Antrag: der Wortlaut sollte lauten:
60.1. Seilbahnen

  • für die touristische Erschliessung neuer Skigebiete oder neuer Geländekammern in bestehenden Skigebieten (dazu gehören auch Kapazitätsänderungen von bestehenden Anlagen)
  • für den Zusammenschluss von Skigebieten

Begründung:
Mit dieser redaktionellen Änderung werden allfällige Diskussionen verhindert, ob bestehende kleine Skilifte ihre Kapazität ausweiten können, ohne der UVP-Pflicht zu unterstehen.

1.6. Andere Anlagen 
Bei den Anlagen für die Haltung von Nutztieren ist neu die Gesamtkapazität des Betriebs massgebend, die Schwelle wurde bei 125 Grossvieheinheiten festgelegt. Das bedeutet zwar, dass es zum Teil zu wesentlich höheren Tierbeständen kommen kann; massgebend ist aber vor allem die anfallende Düngermenge, was aus unserer Sicht sachgerecht ist.