Revision Militärgesetzgebung 30.11.06
Die Grünen Schweiz lehnen die Vorlage zur Armeerevision 09 in der vorliegenden Form klar ab. Die Armeereform 09 geht aus unserer Sicht in die falsche Richtung. Sie leistet der Militarisierung der Inneren Sicherheit, der Schweizer Aussenpolitik im allgemeinen und – durch die verstärkte Integration der Schweizer Rüstungsindustrie in den internationalen Rüstungsmarkt – der Militarisierung der (europäischen) Sicherheits- und Aussenpolitik Vorschub. Zudem unterlässt es das VBS, drängende Probleme (Dienstwaffe zu Hause, Militärdienstpflicht) anzugehen.
1. Militärische Auslandeinsätze und internationale Ausbildungszusammenarbeit
Seit dem 11. September 2001 führen die USA und ihre Verbündeten den globalen „War on Terror“. Bei diesem Krieg geht es nur vordergründig um den Kampf gegen den Terrorismus. In Tat und Wahrheit geht es um die strategische Kontrolle und die Verfügbarkeit von Ressourcen. Die Koalition der Willigen interveniert dort und dann, wo/wann sie es für richtig hält. Im Falle des Irak sogar unter Missachtung des Völkerrechts.
Mit dem unilateralen, dem Kriegsverbot der UNO widersprechenden Vorgehen, schwächen die USA und ihre Verbündeten die UNO und mit ihr das internationale Völkerrecht. Die Schweiz darf sich an dieser fatalen Entwicklung nicht beteiligen, weder durch das Entsenden von militärischen Truppen noch durch die politische Duldung des völkerrechtswidrigen Verhaltens oder die militärische Unterstützung der Rechtsbrecher (beispielsweise durch Rüstungsexporte).
Wenn die Schweiz sich – auch unbewaffnet – an Auslandeinsätzen beteiligt, für die kein UNO-/OSZE-Mandat vorliegt, trägt die Schweiz zur weiteren Schwächung der UNO bei. Die Grünen Schweiz lehnen deshalb die Streichung des UNO-/OSZE-Mandats bei unbewaffneten Auslandeinsätzen ab. Die Grünen Schweiz fordern, dass sich die Schweiz stattdessen nur noch an UN-geführten und nicht bloss UN-mandatierten Einsätzen beteiligt.
Neu soll der Bundesrat ohne Konsultation des Parlaments Einsätze im Ausland bis zu 6 Monaten selber anordnen können. Wir lehnen diese Bestimmung ab, da ein Ausbau der Kompetenzen des Bundesrates weder nötig noch sinnvoll sind. Aufgrund der politischen Bedeutung von Auslandeinsätzen sind solche in jedem Fall durch das Parlament zu beschliessen. Bundesrätliche Entscheide führen zu nicht erwünschten „faits accomplis“, wie der Einsatz von Schweizer Truppen im Rahmen des KFOR-Einsatzes in Bosnien gezeigt hat.
Die Grünen Schweiz lehnen obligatorische Auslandeinsätze von Soldaten grundsätzlich ab. Berufs- und Zeitsoldaten sowie Durchdienern sollen deshalb nicht zu Auslandeinsätzen verpflichtet werden.
Durch eine verstärkte Ausbildungszusammenarbeit auf internationaler Ebene wird die Integration der Schweizer Armee in den Nato-Verbund vorangetrieben. Wir lehnen eine weitere Annäherung oder gar einen Nato-Beitritt klar ab. Die Nato ist ein Sonderbund des reichen Nordwestens dieses Planeten. Wir lehnen eine Zusammenarbeit mit Armeen – auch im Bereich der Ausbildung – klar ab, die sich über das Völkerrecht hinweg setzen.
- Die Grünen Schweiz lehnen die vorgeschlagene Streichung des UNO/OSZE-Mandats in MG Art. 66, Abs. 1 ab. Stattdessen fordern wir, Art. 66 (Friedensförde-rungsdienst) und MG Art. 69 (Assistenzdienst im Ausland) dahingehend abzuändern, dass die Entsendung von bewaffneten und unbewaffneten Truppen nur im Rahmen von UN-geführten Missionen möglich ist.
- Die Grünen Schweiz lehnen einen Ausbau der Kompetenzen des Bundesrates bei der Bewilligung von Auslandeinsätzen ab. Auf die Erhöhung der Einsatzdauer auf 6 Monate in MG Art. 66b, Abs. 4 ist zu verzichten. Auf die Delegationskompetenz für Verlängerungen gemäss MG Art. 66b, Abs. 5 ist zu verzichten.
- Die Grünen Schweiz fordern, auf die Revision von MG Art. 47, Abs. 4 (Pflicht zu Aus-landeinsätzen für Berufs- und Zeitmilitärs) sowie MG Art. 54a, Abs. 2bis (Pflicht zur Auslandeinsätzen für Durchdiener zu Beginn des Dienstes) zu verzichten.
- Die Grünen Schweiz fordern, dass die Ausbildungszusammenarbeit mit Nato-Armeen oder Armeen von Ländern, welche gegen das Völkerrecht verstossen, nicht weiter intensiviert werden. Die Änderungen von MG Art. 41, Abs. 3 (Ausbildungsdienst im Ausland) und MG Art. 48a, Abs. 2 lehnen die Grünen Schweiz ab.
2. Einsätze der Armee im Innern
Die Grünen Schweiz sind besorgt über die massive Zunahme der Einsätze der Armee in Innern in den letzten Jahren. Wir lehnen Einsätze der Armee im Innern kategorisch ab. Für die innere Sicherheit darf lediglich die Polizei zuständig sein. Die Trennung von polizeilichen und militärischen Kompetenzen, von innerer und äusserer Sicherheit, ist eine Errungenschaft des liberal verfassten Staates. Die Einsätze der Armee im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts haben klar gezeigt, wie gefährlich es ist, die innere Sicherheit zu militarisieren. Es ist inakzeptabel, wenn dieser Grundsatz mit der Armeerevision erneut in Frage gestellt wird. Wir lehnen es deshalb ab, wenn die Kompetenzen des Bundesrates bei der Anordnung von Einsätzen der Armee in Innern ausgebaut werden.
Das Erbringen von Dienstleistungen durch Truppen der Armee im Rahmen des „Assistenzdienstes“ lehnen die Grünen Schweiz ab. Es gibt keinen Grund, wieso die Armee als Dienstleisterin im logistischen Bereich eingesetzt werden soll.
- Die Grünen Schweiz lehnen die Erhöhung der Truppenstärke für Einsätze der Armee im Innern, über die der Bundesrat ohne Genehmigung des Parlaments beschliessen kann, entschieden ab (MG Art. 70, Abs. 2 und Abs. 3). Wir sind der Meinung, dass die Armee im Bereich der Inneren Sicherheit nicht eingesetzt werden darf.
- Die Grünen Schweiz fordern, auf die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für ge-werbliche Tätigkeiten zu verzichten (MG Art. 148i). Auch im Rahmen des Assistenzdienstes soll auf die Erbringung von logistischen Dienstleistungen verzichtet werden.
3. Rüstungsindustrielle Integration
Im Zug der Armeereform will der Bundesrat die schweizerische Rüstungsindustrie verstärkt in den internationalen Rüstungsmarkt integrieren. Die Grünen Schweiz wehren sich vehement gegen diese Entwicklung.
Der internationale Rüstungsmarkt erlebt seit dem 11. September 2001 einen neuerlichen Aufschwung. Jährlich wird international wieder viel mehr für die Hochrüstung der Armeen ausgegeben als am Ende des Kalten Krieges. Dieser neue Rüstungswettlauf macht die Welt nicht sicherer, sondern unsicherer. Die Schweiz soll sich nicht am neuen Rüstungswettlauf beteiligen, weder als Exporteurin von Kriegsgütern, noch als Lieferantin von Know-how oder als Käuferin von Rüstungsgütern.
Die Grünen Schweiz befürchten, dass eine verstärkte Integration der Schweizer Rüstungsindustrie zu mehr Rüstungsexporten aus der Schweiz führen. Das widerspricht unserer Forderung, die Schweiz solle auf Ausfuhren von Kriegsmaterial generell verzichten (die Grünen Schweiz beteiligen sich ebenfalls an der Sammlung der Initiative für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten, welche diesen Sommer lanciert wurde). Zudem fordern wir seit langem, dass altes Kriegsmaterial in der Schweiz verschrottet und nicht ins Ausland exportiert wird (vgl. Motion Lang, 05.3495).
- in MG Art. 109a ist die Verschrottung von altem Kriegsmaterial in der Schweiz zu verankern
- die Rüstungszusammenarbeit zur Beschaffung von Rüstungsgütern in MG Art. 109b ist an menschen- und völkerrechtliche und allgemein aussen- und friedenspolitische Kriterien zu binden. Rüstungskäufe in Staaten, welche das Menschen- und Völkerrecht verletzen, sind per Gesetz zu verbieten.
4. Dienstwaffe in privaten Haushalten
Für die Grünen Schweiz ist es unverständlich, weshalb der Bundesrat an der Tradition festhalten will, die Armeedienstwaffen der Soldaten samt Munition mit nach Hause zu geben. Diese Tradition macht militärisch keinen Sinn, ist aber für etliche Suizide und sogenannte „erweiterte Selbsttötungen“ mitverantwortlich. Wir verlangen, dass die Dienstwaffe künftig nicht mehr zu Hause aufbewahrt werden dürfen.
- Die Grünen Schweiz fordern einen Artikel im Militärgesetz, welcher die Aufbewah-rung der Dienstwaffe in privaten Haushalten ausschliesst.
5. Wehrpflicht
Die Grünen Schweiz fordern die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht. Einerseits lässt sich ein Zwangsdienst gemäss der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK nur dann rechtfertigen, wenn er der Abwehr einer Bedrohung für das Wohl der Gemeinschaft dient. Das ist heute offensichtlich nicht (mehr) der Fall. Zudem ist die Wehrgerechtigkeit seit geraumer Zeit nicht mehr gegeben. Heute werden beinahe 40% der Stellungspflichtigen ausgemustert und für „untauglich“ erklärt.
Stattdessen schlagen die Grünen Schweiz die Einführung eines freiwilligen zivilen Sozial- und Friedensdienstes vor (vgl. Motion Lang, 05.3252).