«Der Versuch des Bundesrates, den Schweizer Lohnschutz über das Rahmenabkommen zu schwächen, hat sich als schwerwiegender strategischer Fehler erwiesen. Der Bundesrat hat damit die pragmatische europapolitische Koalition innerhalb der Schweiz entzweit, die seinerzeit die Bilateralen erst ermöglicht hatte», meint Parteipräsident Balthasar Glättli zum heute kommunizierten Abbruch der Verhandlungen. Aus Sicht der GRÜNEN trägt damit der Bundesrat und namentlich Aussenminister Ignazio Cassis die Hauptverantwortung für die gescheiterten Verhandlungen. Durch die mangelhafte Kommunikation, die fehlende Klärung offener Fragen und die fehlende materielle Beurteilung des Abkommens haben Aussenminister Cassis und der Gesamtbundesrat die Deutungshoheit zudem über Jahre hinweg den rechten, europafeindlichen Kräften überlassen. Dabei ist zunehmend vergessen gegangen, dass die Schweiz und die EU wesentliche rechtstaatliche und demokratische Wertvorstellungen teilen und geregelte, konstruktive Beziehungen im Interesse beider Parteien sind.

Der Ausgang der Verhandlungen bereitet den GRÜNEN Sorgen: Kurzfristig dürfte das Scheitern mit spürbaren negativen Auswirkungen auf die Patient*innensicherheit, die Versorgung mit Medizinalprodukten sowie auf den Bildungs- und Forschungsstandort Schweiz verbunden sein. Mittelfristig droht, neben gestiegener Rechtsunsicherheit, eine erhebliche Belastung der an und für sich guten Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sowie eine Erosion des bilateralen Wegs. Die negativen Auswirkungen eines Abbruchs sind auch dem Bundesrat bekannt. Fraktionspräsidentin Aline Trede dazu: «Ein Kompromiss lag bis zuletzt in Griffweite. Es ist darum unverantwortlich, dass der Bundesrat die Verhandlungen nun abbricht: Die Stellung der Schweiz in Europa wird dadurch weiter geschwächt. Als Kleinstaat mitten in Europa ist die Schweiz aber ungleich stärker auf funktionierende bilaterale Beziehungen angewiesen als die EU.»

Es braucht jetzt Signale der Kooperation

Die GRÜNEN fordern den Bundesrat und das Parlament dazu auf, nun unverzüglich Signale der Kooperation auszusenden und mit pragmatischen und konkreten Schritten die Zusammenarbeit mit der EU zu festigen und zu stärken: Mit einer umgehenden Freigabe des Kohäsionsbeitrags soll sich die Schweiz weiterhin für die Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheit in Europa einsetzen. Die Schweiz soll zudem die europäischen Bemühungen zur Einführung von Mindeststeuern für Unternehmen und für eine umfassenden Steueramtshilfe unterstützen und der Ungleichbehandlung von Bürger*innen der alten und der neuen EU-Mitgliedsstaaten in der Schweiz endlich ein Ende bereiten.

Beziehung vertiefen, um Herausforderungen der Zukunft zu begegnen

Darüber hinaus wird sich die Schweiz grundsätzlich damit auseinanderzusetzen müssen, wie das zukünftige Verhältnis zur EU aussehen soll und mit welchen alternativen Wegen dieses gefestigt werden kann. Für die GRÜNEN als europäische Partei ist klar, dass die Schweiz und die EU ihre Beziehungen vertiefen müssen, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen: Klimaschutz und der Erhalt der Biodiversität, die Transformation hin zu einer grünen Wirtschaft, Multilateralismus und die Stärkung von Demokratie und Frieden in Europa. Sofern die Schweiz den bilateralen Weg weiterentwickeln will, erachten die GRÜNEN ein Rahmenabkommen und die Klärung der institutionellen Fragen weiterhin als Selbstverständlichkeit: Eine gute Nachbarschafft braucht verlässliche, greifbare, vorhersehbare Spielregeln. Leider hat die Schweiz diesen wichtigen Grundsatz heute komplett aus den Augen verloren.