Ja zur Landschaftsinitiative
Um die Zersiedelung wirksam zu bekämpfen, braucht es beides: eine starke Verfassungsgrundlage und ein griffiges Gesetz zur Raumplanung. Die Landschaftsinitiative und das in der Vernehmlassung befindliche Raumentwicklungsgesetz ergänzen sich. Gemeinsam mit dem Verein „Ja zur Landschaftsinitiative“ sind die Grünen daher der Ansicht, dass der Gesetzesentwurf in wichtigen Punkten angepasst werden muss. Auch eine Teilrevision des bestehenden Gesetzes anstelle der Totalrevision ist eine Option.
Unverbaute Landschaften, fruchtbares Kulturland und Erholungsräume in der Nähe der Städte und Dörfer zu erhalten, um so Raum für Mensch und Natur und einen wichtigen Standortvorteil der Schweizer Wirtschaft zu festigen. Das ist das Ziel der Landschaftsinitiative. Um dieses Ziel zu erreichen, haben die Initianten, darunter die Grüne Partei Schweiz, mit der Landschaftsinitiative einen sorgfältig ausgearbeiteten, moderaten und umsetzbaren Verfassungstext präsentiert. Der Bundesrat hat im Dezember 2008 mit der Totalrevision des Raumplanungsgesetzes (RPG), neu Raumentwicklungsgesetz (REG), einen anderen (indirekten Gegen-) Vorschlag gemacht. Und im Ständerat ist ein Postulat eingereicht worden, das einen direkten Gegenvorschlag auf Verfassungsstufe fordert.
Otto Sieber, Präsident des Vereins «Ja zur Landschaftsinitiative» zu dieser Lösungsvielfalt für die Raumplanungsmisere: «Die Initianten der Landschaftsinitiative unterstützen grundsätzlich alle Vorschläge, die dazu beitragen, das Ziel der Landschaftsinitiative zu erreichen.» Soll das REG aber tatsächlich als indirekter Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative taugen, seien aber noch einige Nachbesserungen erforderlich.
REG mit Stärken und Schwächen
Der Entwurf zum Raumentwicklungsgesetz (REG) enthält einige vielversprechende Vorschläge. «Wir begrüssen die verbesserten Anforderungen an die kantonalen Richtpläne, die regionale Berechnung des Baulandbedarfs, die Verpflichtung der Kantone zur Überprüfung und Anpassung ihrer Bauzonen sowie die Massnahmen gegen die Baulandhortung», so Raimund Rodewald zu den positiven Aspekten des Gesetzesvorschlags. Nichts anfangen können die Initianten hingegen mit der Teil-Kantonalisierung beim Bauen ausserhalb der Bauzonen und mit dem Verzicht auf eine obligatorische Mehrwertabschöpfung. Auch die Neuschöpfung der sogenannten «Kulturlandzonen» ist Initianten der Landschaftsinitiative ein Dorn im Auge.
Eine grosse Gefahr für die Gesetzesvorlage zum REG sehen die Initianten in den vielen «Baustellen» der Totalrevision. Ausreichend und chancenreicher wäre eine Teilrevision, die das dringendste Problem der Schweizer Raumplanung lösen würde – nämlich den rasanten Verbrauch an wertvollem Kulturland durch die wachsende Siedlungsfläche.
Referat von Nationalrätin Maya Graf (Grüne BL), Mitglied des Initiativkomitees der Landschaftsinitiative:
Die Werte der Landschaftsinitiative
Die im August 2008 zustande gekommene Landschaftsinitiative ist breit abgestützt und bezweckt eine Verhinderung der Zersiedelung, den Schutz des Kulturlandes und eine qualitativ hochstehende Siedlungsentwicklung nach innen. Die Landschaftsinitiative steht für folgende vier Werte ein: Unverbaute Landschaften als Raum für Mensch und Natur. Schöne Landschaften und Heimat sind Zwillinge. Die noch unverbauten Landschaften sollen Lebensraum für Mensch und Natur bleiben. Statt auf die grüne Wiese hinauszuwuchern, soll die Siedlungsentwicklung wo immer möglich qualitativ hochwertig nach innen erfolgen – zum Wohle von Mensch und Natur. Die Landschaftsinitiative sagt Ja zum Bauen, aber am richtigen Ort!
Der Standortvorteil «attraktive Landschaft»Dörfer und Städte in attraktiven Landschaften, Erholungsräume für den Alltag vor der Haustür und die Ferien in den Tourismusregionen sowie ein gut ausgebauter öffentlicher Verkehr gehören zu den wichtigsten Standortvorteilen der Schweizer Wirtschaft. Zudem: Mit dem Stopp der weiteren Zersiedelung sparen Staat und Wirtschaft Geld. Nur mit der Trennung von Bau- und Nicht-Baugebiet und koordiniertem raumplanerischem Teamplay von Bund, Kantonen und Gemeinden kann dieser Vorteil in die Zukunft erhalten werden.
Machbarkeit und Lebensqualität
Ökonomen, Raumplanerinnen, Praktiker aus Gemeinden und Kantonen und Politikerinnen auf Bundesebene begrüssen, dass für den Schutz der Landschaft ein griffiger Verfassungsartikel geschaffen wird. Bauzonen gehören dorthin, wo auch wirklich gebaut wird. Die vielerorts zu beobachtende jahrelange Hortung von Bauzonen schränkt hingegen den Handlungsspielraum der Gemeinden und Kantone ein. Die überdimensionierten unbebauten Bauzonen würden heute für über 2 Millionen zusätzliche Einwohner reichen. Mehr Bauzonen als heute vorhanden braucht die Schweiz nicht. Im Gegenteil: Eine deutliche Verkleinerung der Bauzonenreserven ist daher nicht nur machbar, sondern auch im Dienst der Lebensqualität.
Ernährungssicherung und Biodiversität
Der Schutz von gutem Ackerland und geeigneten Grünland für die naturnah wirtschaftende Schweizer Landwirtschaft ist auch künftig zentrales Element der Raumordnung. Die Diskussionen rund um die Ernährungssouveränität machen klar: Wir brauchen unser Bauernland für die Ernährung und die Biodiversität. Die Versiegelung von fruchtbaren Böden in der Schweiz darf nicht weiter gehen. Ich werde als Mitbewirtschafterin eines Bio- Bauernhofes auf diesen vierten Grundwert der Landschaftsinitiative nun etwas genauer eingehen: Seit Jahrzehnten ist in der Schweiz ein dramatischer Verlust von landwirtschaftlichen Nutzflächen feststellbar. In zwölf Jahren [zwischen den letzten zwei Erhebungen der Arealstatistik 1979/85 – 1992/97] fielen in der Schweiz 32’000 ha Kulturland der Siedlungsentwicklung zum Opfer. Dies ist mehr als die Fläche des Kantons Schaffhausen (298 km2). Jahr für Jahr gehen der Schweiz somit 2700 ha Kulturland auf Grund der wachsenden Siedlungen verloren.
Dieser fortschreitende Verlust an Kulturland gefährdet den Verfassungsauftrag zur sicheren Versorgung der Bevölkerung je länger, desto mehr. Bereits heute ist der Selbstversorgungsgrad der Schweiz mit 60% nicht sehr hoch, und es ist unklar, wie viele Fruchtfolgeflächen heute tatsächlich noch vorhanden sind.
Durch eine ökologische Produktion sichert die Landwirtschaft aber auch den Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Sie trägt somit – und das ist ein zweiter Verfassungsauftrag der Landwirtschaft – zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und zur Gestaltung einer vielfältigen, abwechslungsreichen Kulturlandschaft bei. Der Schutz der geeigneten Landwirtschaftsgebiete ist somit ein wesentlicher Beitrag zur Sicherung der Pflege der offenen Kulturlandschaft.
Die fortschreitende Zersiedelung zerstört einerseits direkt Lebensräume für die Natur, unterbricht wichtige Wanderungskorridore für Tiere und verunstaltet traditionelle Kulturlandschaften. Sie hat aber auch weitere Folgen: Mit der Überbauung und anderweitigen Zweckentfremdung vorrangiger Landwirtschaftsböden wird zahlreichen Landwirtschaftsbetrieben die Existenzgrundlage geschmälert. Dieser Verlust trägt zu einem Rückgang der Landwirtschaftsbetriebe und der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte bei.
Aus diesen Gründen unterstützt die Landschaftsinitiative die landwirtschaftliche Produktion und die produzierende Landwirtschaft. Die Landschaftsinitiative bietet auch die Verfassungsgrundlage, unter welcher eine griffige Revision des Raumplanungsrechts erarbeitet werden kann und sollte.