Der Wiedereinstieg nach der Geburt eines Kindes gestaltet sich in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern Europas schwerer. Vor 20 Jahren habe ich es bei der Geburt meines zweiten Sohnes erlebt: Als Sekundarlehrerin und als gewählte Kantonsrätin konnte ich meine Arbeit nur wieder aufnehmen, weil mein selbstständig erwerbender Partner und meine Eltern und Schwiegereltern einen Teil der Kinderbetreuung übernehmen konnten.  

Zwei Jahrzehnte später stelle ich ernüchtert fest: Es gab in wenigen Regionen punktuelle Verbesserungen, aber flächendeckende Lösungen fehlen in der Schweiz. Kita- und Tagesschulangebote sind vielerorts rar, und die hohen Betreuungskosten von bis zu 130 Franken pro Tag wirken abschreckend. Familien fragen sich, ob es sich finanziell überhaupt lohnt, dass beide Eltern arbeiten. Das ist eine schlechte Ausgangslage für die Gleichstellung der Geschlechter in der Schweiz. Die heutige Gesetzgebung fördert nach wie vor traditionelle Rollenbilder und wird der gesellschaftlichen Realität und der Gleichstellung der Geschlechter nicht gerecht. Der Bund vermeidet ambitionierte Ziele und schiebt die Verantwortung auf die Kantone. Der Bund ist aber in der Pflicht, dem gesellschaftlichen Wandel gerecht zu werden.  

Eine breite Allianz aus Grünen, Grünliberalen, Mitte-Frauen, Alliance F und dem Dachverband Travail.Suisse hat eine zukunftsgerichtete, nationale Lösung präsentiert: die Familienzeit-Initiative. Diese sieht für beide Elternteile eine Familienzeit von je 18 Wochen vor. Die Familienzeit ist paritätisch, nicht übertragbar und verfällt bei Nichtbezug. Die Entschädigung steigt für die niedrigsten Löhne auf 100% des Erwerbsausfalls – eine grosse Verbesserung im Vergleich zu heute. Viele Eltern, vor allem Väter, beziehen ihre Vaterschaftszeit aktuell nicht, weil sie sich den Lohnausfall nicht leisten können. Zudem: Eine paritätische Elternzeit erweist sich aus der Forschung und aus den Erfahrungswerten anderer Länder als besonders wirkungsvoll, um die Arbeitsmarktpartizipation und die Care-Arbeit beider Elternteile zu erhöhen. Kommt den Vätern eine frühe Beteiligung an der Betreuung der Kinder zu, wird das Kindeswohl gestärkt.  

Hier setzt die Familienzeit-Initiative an und schafft gleich lange Spiesse für beide Elternteile, auch für gleichgeschlechtliche Paare. Die Care-Arbeit in der Familie soll gerecht auf beide Elternteile verteilt sein. So sollen zukünftig weder Väter noch Mütter einen Nachteil auf dem Arbeitsmarkt erfahren.   

Ich freue mich, dass der Diskurs über die Familienzeit-Initiative lanciert ist. Sie bringt jungen Menschen neue Perspektiven und ermöglicht zeitgemässe, chancengerechte Lebensformen im Familienalltag.  

Florence Brenzikofer | Nationalrätin BS