Feministischer Streik: Nötiger denn je
Der grosse feministische Streik von 2019 war ein Höhepunkt. Seitdem hat sich viel bewegt. Ein Rückblick auf konkrete Fortschritte und was noch zu tun bleibt.
Feministische Forderungen sind heute präsenter. Viele Menschen haben sich im Anschluss an den feministischen Streik politisiert. Und die Wahlen 2019 haben mehr Frauen ins Parlament befördert als je zuvor. Beides hat Fortschritte ermöglicht, die lange ausser Reichweite schienen: Das Sexualstrafrecht wurde so reformiert, dass die sexuelle Integrität endlich besser geschützt ist. Die Sensibilisierung für geschlechtsspezifische Gewalt ist gestiegen. Die Ehe für alle wurde endlich eingeführt. Es gibt mittlerweile eine Vaterschaftszeit – wenn auch eine kurze.
Und trotzdem: In viel zu vielen Bereichen harzt es noch. Frauen leisten noch immer den grössten Teil der unbezahlten Sorge- und Betreuungsarbeit, der sogenannten Care-Arbeit, im Wert von 242 Milliarden Franken. 2022 wurden in der Schweiz 18 Frauen und Mädchen im Kontext häuslicher Gewalt getötet. Die Medien verharmlosen diese Feminizide noch immer. Mindestens jede zweite Frau hat bereits sexualisierte Gewalt erlebt. Frauen erhalten ein Drittel weniger Rente als Männer. Der Frauenanteil im Nationalrat beträgt erst 42 Prozent. Die Schweiz kennt noch immer kein drittes Geschlecht. Und es gab sogar Rückschritte: Die Annahme der AHV21, die die Erhöhung des Frauenrentenalters zur Folge hat, war ein feministischer Tiefpunkt der Legislatur.
Es gibt somit noch immer zahlreiche Gründe, um feministisch aktiv zu sein. Vier Jahre nach dem grossen feministischen Streik von 2019, bei dem über eine halbe Million Frauen und nicht-binäre Menschen gemeinsam mit solidarischen Männern auf die Strasse gingen, ist nun auch dieses Jahr wieder ein grosser Streiktag am 14. Juni angekündigt. Die feministischen Streikkollektive in der ganzen Schweiz sind gemeinsam mit den Gewerkschaften bereits mitten in den Vorbereitungen.
Der feministische Streik war immer vielfältig. Auch 2023 sind verschiedenste Forderungen zentral – so etwa die Verhinderung der Klimakrise. Global gesehen leiden Frauen und vulnerable Personen besonders unter den massiven Folgen der Klimaerhitzung. Weiter stehen Mehrfachdiskriminierungen im Fokus: Beim Einsatz für mehr Gleichstellung müssen verschiedene Lebensrealitäten beachtet werden. So erleben eine geflüchtete Frau, eine nicht-binäre Person im Rollstuhl oder eine Schwarze, lesbische Frau unterschiedliche Formen von Diskriminierungen.
Es bleibt noch viel zu tun. Die feministische Bewegung ist nötiger denn je. Lasst uns am 14. Juni alle auf die Strasse gehen und zeigen, dass wir viele sind, die sich intersektional für eine feministische, diskriminierungsfreie Gesellschaft einsetzen.
Anna-Béatrice Schmaltz
Aktivistin, Gemeinderätin Zürich und Nationalratskandidatin
@annabschmaltz