Auf in die #Klimawahl2019

Liebe GRÜNE

In einem Jahr wird das nationale Parlament gewählt. Ich freue mich auf diesen Moment, denn die Zeit ist reif für Veränderung. Die Zeit ist reif für Bewegung. Von rechts nach grün. Von Egoismus zu Gemeinschaft. Von Bauchnabel zu Weitsicht. Liebe GRÜNE: Es ist unsere Zeit.

Wir GRÜNEN sind gut aufgestellt für diese nationale Wahlkampagne. Wir stehen mit beiden Füssen auf dem Teppich – und der Teppich, der fliegt! Alle Zeichen stehen heute auf grün. In Belgien, in Luxemburg, in Bayern, im Kanton Zug: Überall haben die ökologischen Kräfte in diesem Wahlherbst vorwärts gemacht. Auch die Umfragewerte sind erfreulich. Würde morgen in der Schweiz gewählt, dann könnten die GRÜNEN von allen Parteien am stärksten zulegen. Dieser Trend bestätigt unsere realen Erfolge in Kantonen, Städten und Gemeinden.

Der Sprung nach vorne ist kein Zufall. Es hat sich etwas verändert in diesem Sommer. Immer mehr Menschen wissen, was mit der Klimakrise auf dem Spiel steht. Sie stärken deshalb diejenigen Kräfte, die sich seit vielen Jahren hartnäckig und kompetent für die natürlichen Lebensgrundlagen einsetzen. Und die gleichzeitig für Offenheit, Vielfalt und für globalen Ausgleich stehen. Wer uns wählt, weiss: Klimaschutz und Gerechtigkeit sind bei uns keine Trends. Klimaschutz und Gerechtigkeit sind bei uns Programm.

Auch Gleichstellung ist bei uns Programm.

Wenn wir GRÜNEN etwas tun, dann tun wir es richtig. Wir sind die Partei mit dem höchsten Frauenanteil in Parlamenten und Exekutiven. Wir haben die jüngste und weiblichste Nationalratsfraktion. Vor allem aber stehen bei uns die Frauen auch an der Spitze und nicht nur in der zweiten Reihe. Die Hälfte aller Präsidien in der Geschichte der GRÜNEN Schweiz waren Frauen. Da könnten alle anderen Parteien noch einiges lernen. Wir sind Pionierinnen, doch wir sind nicht ganz allein. Weltweit sind Frauen in Führungspositionen bei den GRÜNEN eine Selbstverständlichkeit. Auch die kanadischen GRÜNEN zum Beispiel werden heute von einer Frau angeführt. Sie heisst Elizabeth May und hat letzte Woche in Ottawa das Parlament mit ihrer Rede aufgerüttelt.

Es ging um den neusten Bericht des Weltklimarates. Ihr kennt ihn. Es ist der Bericht, der aufgezeigt, was eine Klimaerhitzung um 1,5 Grad bereits für verheerende Folgen haben wird: Wetterextreme, Dürren, Gletscherschmelze, das Sterben der Korallenriffs, den Anstieg des Meeresspiegels, weniger Biodiversität, Klimaflüchtlinge. Wir stecken mitten in dieser Transformation drin. Im Tessin wurden diese Woche, Ende Oktober, dreissig Grad gemessen. Und eine Freundin hat mir erzählt, dass sie in den Herbstferien im Maggiatal von Tigermücken fast aufgefressen wurde. Das ist unsere neue Normalität. Und es wird noch viel schlimmer kommen. Wenn wir nicht endlich das Ruder herumreissen.

Es hat sich etwas verändert in diesem Sommer. Denn wir fangen plötzlich an zu rechnen. So wie Elizabeth May, meine kanadische Kollegin. Sie hat dem Parlament in Ottawa gezeigt, dass es längst nicht mehr darum geht, die Lebensgrundlagen irgendeiner abstrakten zukünftigen Generation zu erhalten. Nein, es geht um die Lebensgrundlagen unserer eigenen Kinder. Wir kennen sie. Meine Grossnichte Lina, die im Jahr 2050 33 Lenze zählen wird. Mein Göttibub Lars, der 2050 seinen 42. Geburtstag feiert. Wenn Lina und Lars Glück haben, werden wir das Klimaabkommen von Paris bis 2050 umsetzen: Null Öl, null Gas, null Kohle – das ist das globale Ziel. Technisch ist es möglich. Es kostet weniger als das Nichtstun – das haben unterdessen sogar die Autofahrer gemerkt. Wer verteuert heute das Benzin? Nicht die GRÜNEN, sondern der tiefe Pegelstand des Rheins. «Nature strikes back», könnte man sagen und leise auf den Stockzähnen lachen.

Aber es ist nicht lustig. Denn die Schäden dieser Jahrhundertdürre sind immens.

Das Klimaabkommen von Paris kann umgesetzt werden, wenn wir es wollen. Keine Ausreden mehr, keine Rappenspalter mehr und keine «Füdlibürger», wie Franz Hohler die Klimaleugner in der «Arena» nannte. Nein: Wir müssen die Ärmel hochkrempeln. Viel Zeit bleibt nicht. Denn wir haben kostbare Jahre verloren. Auch das hat Elizabeth May, meine kanadische Kollegin, in Ottawa so eindrücklich gezeigt. Wer erinnert sich noch an die erste Weltklimakonferenz in Toronto vom Juni 1988? Damals diskutierten rund 300 Fachleute aus 48 Staaten über Ursache und Bekämpfung der Erderwärmung. Im Schlusscommuniqué wurde eindringlich darauf hingewiesen, dass die Gefahren für die Erdatmosphäre bereits so gravierend seien, dass sofortiges Handeln unerlässlich sei. Stellt euch vor, man hätte die Wissenschaftler*innen damals ernst genommen. Vor 30 Jahren. Dann könnten wir viele Gletscher noch retten, dann könnten wir das arktische Eis noch retten, dann hätten wir weniger Druck.

Man hat sie nicht ernst genommen, und deshalb braucht es gerade jetzt dringend mehr GRÜNE an den Schaltstellen der Demokratie. Die Veränderung kann man wählen. Und die Veränderung ist grün.

Liebe GRÜNE. Der Hitzesommer hat vielen Menschen die Augen geöffnet. Und er hat mich ganz persönlich maximal für die Wahlen 2019 motiviert. Seit über 30 Jahren engagiere ich mich in der Politik. Noch nie war es so nötig und sinnvoll wie heute. Ich freue mich darauf, mit euch zusammen in der Wahlkampagne aufzuzeigen, dass man Veränderungen positiv gestalten kann. Dass man auch mal lustvoll gegen den Strom schwimmen kann. Dass man konsequent und konstruktiv zugleich sein kann. Dass Politik auch unbestechlich und aufrichtig geht. So wie bei uns.

Und ich bin überzeugter denn je: Wenn wir den Aufbruch ins postfossile Zeitalter schaffen wollen, dann müssen wir Umweltschutz immer auch mit globalem Ausgleich und mit der Stärkung von Demokratie, Menschenrechten und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt verbinden. Positive Veränderungen werden nie von oben verordnet. Positive Veränderungen kommen von unten, aus der Mitte der Demokratie. Aus der Vielfalt. Aus dem Wettbewerb der konstruktiven Ideen.

Leider wird auch das soziale Klima heute hart auf die Probe gestellt. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen nehmen weltweit zu. Die Raketen wachsen in den Himmel, so wie damals, im Kalten Krieg. Populistische Narzissten stellen weltweit das Recht der Stärkeren über die Demokratie und trampeln rücksichtslos auf Minderheiten herum. Die Medienbranche ist in der Krise und kann ihre Arbeit als Wachhund der Demokratie immer weniger wahrnehmen. Nein, es ist keine gemütliche Welt, zur Zeit. Aber wo die Probleme wachsen, da wächst auch der Widerstand. Und mitten in diesem Widerstand – da sind wir.

Wir GRÜNEN haben uns viel vorgenommen. Wir werden bis zu den Wahlen 2019 nicht einfach nur in die Kameras lächeln, Gipfeli verteilen und Zuversicht versprühen. Nein. Wir wollen realpolitisch etwas in Bewegung setzen.

  • Bis zu den Wahlen 2019 wollen wir ein konsequentes CO2-Gesetz durchs Parlament Die Klimaresolution der letzten Delegiertenversammlung ist dabei unser Kompass.
  • Bis zu den Wahlen 2019 wollen wir Bundesrat und Wirtschaft von einem Massnahmenpaket gegen die Plastikflut und für den Schutz der Biodiversität überzeugen. Die Schweiz soll endlich wieder zur stolzen Pionierin des Umweltschutzes werden.
  • Bis zu den Wahlen 2019 und darüber hinaus wollen wir die Gleichstellung vorantreiben. Mit dem Frauenstreik vom 14. Juni und mit der Wahl von zwei neuen Bundesrätinnen am 5. Dezember. Noch wählen wir CVP- und FDP-Bundesrätinnen. Bald grün.
  • Bis zu den Wahlen 2019 wollen wir die Aussenpolitik und die Aussenwirtschaftspolitik von Ignazio Cassis und Konsorten wieder auf das Fundament der Menschenrechte stellen. Die Waffenexporte und die Milliardeninvestitionen in Waffensysteme widersprechen der humanitären Tradition der Schweiz. Wir müssen das stoppen – und wir sind dran!
  • Bis zu den Wahlen 2019 und darüber hinaus wollen wir die soziale Gerechtigkeit und den Schutz der unveräusserlichen Grundrechte stärken. Ein erster Test ist die Abstimmung vom 25. November. Es geht um die Anti-Menschenrechtsinitiative und das Pfusch-Gesetz zu den Versicherungsspionen. Beide Vorlagen sind Angriffe auf die Grundwerte des modernen, freiheitlichen Staates und treiben die Entsolidarisierung voran. Die rechten Parteien fassen Steuerbetrüger mit Samthandschuhen an und gehen gleichzeitig mit aller Härte gegen IV-Berechtige und Arbeitslose vor. Als nächstes kommen übrigens die älteren Menschen an die Kasse: Mit dem neuen Versicherungsvertragsgesetz sollen Vertragsbedingungen einseitig geändert werden. Wer den Versicherungsgesellschaften zu teuer wird, fliegt raus.

Wir GRÜNE werden auch dieses unfaire Spiel mit aller Kraft bekämpfen.

Liebe GRÜNE. Damit wir das alles schaffen, brauchen wir die Unterstützung von jeder und jedem einzelnen von euch, Delegierte, Mitglieder, Unterstützer*innen ohne Parteibuch. Bis 2019 werden wir Tag und Nacht unterwegs sein, so wie die GRÜNEN in Bayern, die sich den Wahlsieg hart verdient haben. Wir werden Tag und Nacht unterwegs sein, damit wir das Referendum gegen die Steuervorlage 17 noch vor Weihnachten zustande bringen. Auch die GRÜNEN Tessin haben übrigens ein Referendum für die Steuergerechtigkeit gesammelt. 49,9 Prozent der Stimmen konnten sie mit der SP und den Gewerkschaften zusammen auf ihre Seite bringen. Das ist viel, aber nicht genug. Wir sehen es ja immer wieder: Die Hürden für direktdemokratische Erfolge sind hoch. Das hat auch die Abstimmung über die Fair-Food-Initiative gezeigt. Diese Hürden sind ein Grund mehr, um die GRÜNEN dort zu stärken, wo die frühen Entscheidungen fallen: im Parlament. Im nationalen Parlament, aber auch in den kantonalen Parlamenten von Basel-Land, Luzern, Zürich und dem Tessin. Hier stehen die nächsten Wahlen an – und wir alle wissen: Je mehr GRÜNE im Parlament, desto grüner werden auch die anderen Parteien!

Liebe GRÜNE, wir sind gut unterwegs. Aber wir dürfen nicht übermütig werden. Wir gewinnen nicht, weil es die Umfragen sagen. Wir gewinnen, weil wir tun, was wir immer tun, in guten wie in schlechten Zeiten: Mit Kopf, Herz und Rückgrat Lösungen entwickeln für die Menschen und für die Natur. Aber auch: Haltung zeigen und auf dem Teppich bleiben. Auf dem Teppich, der fliegt!

Präsidialrede (PDF)