Danke für die Wahl und Danke für das Vertrauen, das ihr mir und dem ganzen neuen Präsidium mit eurer Entscheidung schenkt. Danke, merci, grazie! 

Die GRÜNEN wurden in den eidgenössischen Wahlen letzten Herbst, aber auch in den Kantonen massiv gestärkt. Und ich bin überzeugt: Die GRÜNEN sind die politische Kraft, welche auf die Herausforderungen unseres jungen Jahrhunderts die überzeugendsten Antworten hat.

Was sind diese Herausforderungen? 

Wichtige Herausforderung unseres Jahrhunderts sind die zunehmende Ungleichheit und die immer stärkeren Tendenzen hin zu einer antidemokratischen, autoritären, ausgrenzenden Politik. Dagegen zeigen wir GRÜNE Haltung. #HaltungZeigen für Grundrechte – das ist nötiger denn je. Auch wenn es nicht immer populär ist.

Die zentrale Herausforderung unseres Jahrhunderts bleibt der rasche Ausstieg aus den fossilen Energien und der Erhalt der Biodiversität. Nur so können wir das Klimafieber senken. Diese wichtigen Themen werden in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig sind es die Kernthemen der GRÜNEN.

Eine neue grosse Herausforderung ist der technologische Fortschritt. Die Digitalisierung schafft riesige Chancen. Gleichzeitig birgt sie enorme Risiken: Gläserne Bürger*innen, gläserne Konsument*innen, zunehmende Macht der internationalen Internet-Plattformen, die ganze Märkte privatisieren und beherrschen, die Fragilität, die Zerbrechlichkeit unserer Gesellschaft und Wirtschaft gegenüber Cyber-Kriminalität und Cyber-Angriffen.

 

Die Beziehung zwischen Mensch und Mensch zu regeln – das war das Thema der Politik seit Jahrzehnten, seit Jahrhunderten. Die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt zu transformieren – weg von der Ausbeutung, hin zu einem nachhaltigen Umgang mit der Natur – das ist seit dem Aufkommen der neuen Umweltbewegung, seit den 1970er-Jahren eine ganz neue Aufgabe der Politik, die raison d’être der GRÜNEN. Die Beziehung zwischen Mensch und Technik gemeinsam demokratisch und zum Nutzen von allen zu gestalten, das ist eine ganz neue Herausforderung, und wir GRÜNE profilieren uns hier kompetent.

Wenn wir von der alten Politik sprechen, welche die Beziehung zwischen Mensch und Mensch regelt, dann sprechen wir von der Politik der Interessen. Wenn sich die Politik auch mit der Beziehung von Mensch und Umwelt, mit der Beziehung von Mensch und Technik befasst, dann kommt eine neue Dimension hinzu: Wir brauchen eine Politik der Sorge. Und wir brauchen eine Politik der Verantwortung. Wir wissen längst: Natur und Mensch leben nicht in klar voneinander getrennten Bereichen. Wirklich unberührte Natur gibt es kaum mehr. Und selbst dort, wo der Mensch auf den ersten Blick keinen direkten Einfluss nimmt, wirken die menschgemachten Klimaveränderungen. Das sorglose Wirtschaften und unsere Wegwerfgesellschaft haben überall auf der Welt Spuren hinterlassen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprechen darum davon, dass ein neues Erdzeitalter eingeläutet wurde: das sogenannte Anthropozän, das Zeitalter, das durch den Menschen geprägt wird. Damit wird auch wissenschaftlich festgehalten, dass der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Mit diesem Einfluss stehen wir alle, jede und jeder von uns, auch mit in der Verantwortung. In der Verantwortung, zu einer nachhaltigen, zu einer zukunftsfähigen Entwicklung im Interesse aller Menschen beizutragen. 

Wenn ich zurückdenke an den jungen Balthasar, der in seiner Jugendzeit die Gruppe Welt-Umwelt-Mitwelt gegründet hat, sehe ich einen aufmüpfigen langhaarigen Gymnasiasten. Kaum war das Stimmrechtsalter 18 eingeführt, fragten ihn die GRÜNEN an, ob er, gerade erst 19-jährig, für die GRÜNEN kandidieren möchte. Der junge Balthasar Glättli sagte zu. Mit einer Bedingung: Er wollte nicht der Partei beitreten. Weil er Angst hatte, als Parteimitglied seine eigene Meinung an der Garderobe abgeben zu müssen. Es ging nicht lange, wurde ihm dennoch die Verantwortung für die Wahlkampagne übertragen. Und schliesslich, als er das Parteiprogramm der GRÜNEN Kanton Zürich gelesen hatte und darin die Idee eines garantierten Mindesteinkommens entdeckte – eine für ihn neue Idee – da trat er der Partei bei.

Das überzeugte den jungen Balthasar Glättli damals: Eine grüne Sozialpolitik, die nicht auf grenzenloses umweltzerstörerisches Wirtschaftswachstum setzt, sondern auf die Idee, den Reichtum gleichmässiger zu verteilen, den wir in einer arbeitsteiligen Gesellschaft alle gemeinsam erarbeiten. Ein Verständnis von Arbeit, das den Wert der Arbeit nicht bloss am Verdienst misst, sondern an der Zeit und Sorge, die ein Mensch investiert. Eine Gesellschaftspolitik, die auf der Anerkennung aller Menschen und ihrer Grundbedürfnisse basiert und nicht das Konkurrenzdenken «alle gegen alle» anstachelt. Und das bewusste Eingeständnis von uns GRÜNEN: Es kann nicht einfach alles so weitergehen, wie bisher: Unsere Erde ist endlich, und sie ist die einzige, die wir haben. Nur wenn wir aus dem Wachstumszwang ausbrechen, schaffen wir einen bleibenden Wohlstand, der nicht sein eigenes Fundament untergräbt: #BesserStattMehr.

Warum erzähle ich euch das? Ich bin überzeugt, dass die vielen Mitglieder der GRÜNEN, die neu dabei sind, aber auch jene, die sich seit Jahre engagieren, eine Partei erleben möchten, bei der man die eigene Meinung nicht an der Garderobe abgeben muss, sondern sie in die Debatte einbringen kann. Eine Partei, welche Vertrauen schenkt und keine Angst vor den grossen Fragen hat. Eine Mitmachpartei, in die sich alle einbringen können, denen die Sorge um die Umwelt, um Tiere und Natur, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und um die Menschlichkeit im Umgang miteinander wichtig sind. Und wir alle als Teil der GRÜNEN haben wohl gemeinsam, dass für uns die Freiheit der einen nicht auf der Ausbeutung der anderen beruhen darf; aber auch nicht auf der Ausbeutung der Natur.

Viele Medienschaffende haben mir in den letzten Tagen die Frage gestellt: Wo stehen denn die GRÜNEN in vier Jahren? Ich kann euch sagen: Wir alle gemeinsam sorgen dafür, dass wir GRÜNE auch in vier Jahren nicht stehen, sondern dass wir uns weiterhin bewegen! Aus Bewegungen – aus der Umwelt-, der Frauen- und der Friedensbewegung – sind die GRÜNEN ja auch entstanden. Und zusammen mit und als Teil dieser Bewegungen müssen wir den Druck aufrechterhalten, damit aus grünen Wahlerfolgen auch Mehrheiten werden. Die engagierten Klimastreikenden und die neu erstarkte Frauenbewegung machen mir Mut. Der Mitgliederzuwachs der GRÜNEN macht mir Mut. Und Mut macht mir auch, dass wir GRÜNE dank Regula Rytz und dank eurer Arbeit an der Basis, nicht erst seit Greta, sondern während der ganzen letzten Legislatur, in den Kantonen so deutlich zulegten.

Wir brauchen diesen Mut, denn wir wissen auch: Die aktuellen Herausforderungen sind immens. Die Transformation unserer Gesellschaft weg von der Abhängigkeit von fossilen Energien wird unser Wirtschaften, die internationalen Beziehungen, die Machtverhältnisse, aber auch das Alltägliche tiefgreifend verändern. Unsere Aufgabe ist es, diese Transformation in der nötigen Dringlichkeit und zugleich hartnäckig, Schritt für Schritt, voranzutreiben. Partner*innen zu finden dafür bei anderen Parteien. Und den Schwung der Bewegungen zu nutzen. Wir sind auf dem Weg und wir bleiben dran. 

Und nochmals: Danke, merci, grazie für euer Vertrauen! 

Präsidialrede (PDF)