GRÜNE bringen Bewegung in die Politik

Es gelten das gesprochene und das geschriebene Wort.

In Fribourg, in Bern haben wir uns an den letzten Delegiertenversammlungen persönlich treffen können – und nun sitzen wir wieder vor den Bildschirmen. Umso herzlicher grüsse ich euch alle und wünsche euch allen nur das Allerbeste für das angebrochene Jahr – und uns allen das baldige Ende der Pandemie,

Liebe GRÜNE
Chères Vertes et chers Verts
Cari Verdi

Noch ist es leider nicht soweit – Corona hat uns wieder mehr im Griff, als uns allen lieb ist, die Fallzahlen sind mit der Omikron-Welle so hoch wie nie zuvor. Und auch die Lage in den Spitälern, für das seit zwei Jahren unter Dauerstress stehenden Gesundheitspersonal, droht sich weiter zuzuspitzen. Die vielleicht schwierigsten Wochen der Pandemie stehen uns bevor. Immerhin haben wir die Hoffnung, dass Omikron eine letzte Welle vor der endemischen Phase sein könnte.

Wie immer in dieser Pandemie können wir nicht mit Sicherheit sagen, wie es weitergeht. Aber wir können schon jetzt erste Lehren aus unserem Umgang mit der Pandemie ziehen.

Eine der wichtigsten Lehren ist – und es müsste eigentlich selbstverständlich sein: Es sind die Menschen, die zählen. Die Menschen zählen – die Technik und die Infrastruktur können lediglich unterstützen. Es sind die spezialisierten Intensivpfleger*innen, die zählen – die ganze Intensiv-Bettendiskussion hat das immer wieder ausgeblendet. Medizinische Infrastruktur lässt sich rasch bereitstellen. Pflegende Menschen nicht.

Die Menschen zählen. Die Menschen zählen – aber sie müssen auch wollen: Ohne Akzeptanz, ohne Solidarität, hilft auch die beste Technik – in unserem Fall die Impfung – nichts.

Die Menschen zählen – aber alle müssen können: Ohne gerechten Zugang für alle – die globale Verteilung der Impfstoffe bleibt himmelschreiend ungerecht – bleibt der Nutzen der besten Technik begrenzt.

Und für beides, für die Akzeptanz der Impfung und für ihre gerechte Verteilung, braucht es die richtigen politischen Rahmenbedingungen. Der Rahmen ist entscheidend: Wir sehen das nicht nur bei Corona, sondern auch beim Klimawandel.

Die Lösungen sind da, die Technik, neue innovative Konzepte. Aber wir müssen als Gesellschaft demokratisch ja dazu sagen und die Weichen richtig stellen. 

Und dazu sind wir GRÜNEN da: damit zukunftsfähige Lösungen umgesetzt werden.

Die zweite traurige Lehre aus der Corona-Zeit: Vorausschauende Politik ist nicht die Kernkompetenz des Bundesrates. Weder in der Corona-Politik noch anderswo: Statt proaktiv mit frühzeitigen Massnahmen das exponentielle Wachstum der Fallzahlen zu brechen, galt allzu oft die Devise: Abwarten, beobachten – und erst dann handeln, wenn überlastete Spitäler und öffentlicher Druck keine andere Wahl mehr lassen.

Was bei Corona mal schlecht mal recht klappt, funktioniert in der Klimapolitik überhaupt nicht. Unsere Nicht-Entscheide von heute beeinflussen das Ausmass der Klimaerhitzung noch in hundert Jahren – und damit das Leben und Überleben aller Menschen, die heute auf unserem Planeten leben – und das ihrer Kinder.

Coronawellen gehen vorbei; irgendwann werden wir in die endemische Phase und damit in eine neue Normalität kommen. Anders bei der Klimaerhitzung: Wenn wir dort abwarten statt anpacken, überschreiten wir Kipp-Punkte, von denen es kein Zurück mehr gibt. Ein Beispiel für verhängnisvoll zögerliche Politik ist die lasche Neuauflage des CO2-Gesetzes durch den Bundesrat: Ein ängstlicher Minimalkompromiss. Ohne Ambitionen. Ohne Blick aufs grosse Ganze.

Wir sprechen im Hamsterrad der Covid-Krise so viel über Gesundheit wie kaum je zuvor – und sind uns dabei viel zu wenig bewusst, dass Corona die wirkliche Gesundheitskrise überdeckt: Hitzewellen, Dürren und die Gefährdung der Biodiversität bedrohen die öffentliche Gesundheit fundamentaler und viel langfristiger als jede Pandemie. Die Klima- und Biodiversitätskrise ist auf lange Sicht auch eine wahre Gesundheitskrise.

Ich male deshalb nicht schwarz, wenn ich sage: die Lage ist ernst.
Wenn alles so bleibt, wie es ist, bleibt bald nichts mehr, wie es ist.
Wir könnten jetzt verzweifeln. Oder den Kopf in den Sand stecken.
Aber genau das tun wir GRÜNE nicht.

Im Gegenteil. Wir bringen Bewegung in die Politik.

Nicht die düstere Analyse zählt. Sondern unser positives Handeln. Unsere Entschiedenheit. Unser Glaube daran, dass wir es schaffen werden. Mich inspiriert und ermutigt immer wieder die Erinnerung an den kürzlich verstorbenen Desmond Tutu. Sein Mut, seine klaren Überzeugungen, aber auch seine Fähigkeit, Brücken zu bauen… Und seine Zuversicht, sein Lachen, seine leuchtenden Augen, die er auch in den schlimmsten Zeiten der Apartheid nie verloren hat. Nehmen wir ihn uns zum Vorbild!

Bringen wir Bewegung in die Politik! Mit Mut und Zuversicht.
Wagen wir uns an die grossen Themen. Verändern wir die Schweiz.

«Realität ist das, was nicht weggeht, auch wenn man nicht daran glaubt» so habe ich bereits einmal vor euch den amerikanischen Science-Fiction-Autor Philip K. Dick zitiert.

Weder Klimaerhitzung und Biodiversitätsverlust noch die Erosion der europäischen Beziehungen gehen weg, wenn wir die Augen zumachen.

Darum gehen wir GRÜNE voran. Wir wagen die Schritte, vor denen sich die Zauderer und Machterhalter im Bundeshaus scheuen: In beiden heissen Dossiers, im Europa- und im Klimabereich.

Bringen wir Bewegung in die Politik!

Mit der Europainitiative wollen wir GRÜNE die Debatte neu lancieren – und die Zusammenarbeit mit der EU suchen, dort wo sie zentral ist. Wir richten den Blick auf das Potenzial, das eine konstruktive Kooperation in und mit Europa bietet – und nicht auf ein falsches Zerrbild von Brüssel als bösen Gessler, den es so gar nie gegeben hat. Klimaschutz ist eine Hausaufgabe für jedes Land – aber einer gemeinsame Klimaschutzpolitik auf europäischer Ebene hat einen viel grösseren Hebel. Datenschutz und verantwortungsvolle Digitalisierung sind Hausaufgaben für jedes Land – aber wenn Europa zusammensteht, dann haben wir die Chance, durch gemeinschaftliches Handeln Freiräume zu schaffen, die sonst von den Tech-Giganten und den digitalen Multis besetzt werden.

Die europäische Integration ist nicht nur das Friedensprojekt um die Wiederholung der Kriege von gestern mitten in Europa zu verhindern. Die europäische Integration ist auch eine Chance, gemeinsam weltweit den Schutz des Klimas und die Biodiversität zu stärken, eine verantwortungsvolle Digitalisierung voranzubringen und in der Aussenpolitik die Menschenrechte statt die Interessen der Mächtigsten nach vorne zu stellen.

Und wir gehen auch voran mit einer Klimainitiative, mit einem Green New Deal für unsere Zukunft.

Wir wollen einen Green New Deal, der das Klima schützt mit der Transformation der Energieerzeugung – weg von den Fossilen.

Einen Green New Deal, der die Menschen mitnimmt zu den Arbeitsplätzen von Morgen durch Umschulung und Weiterbildung.

Einen Green New Deal, der die Biodiversität stärkt, weil wir auf sie angewiesen sind, um uns vor den Folgen der bereits heute schon unvermeidlichen Klimaerwärmung zu schützen.

Europainitiative und Klimainitiative – unsere grünen Lösungsvorschläge, mit denen wir die grossen Themen angehen. Und die gute Nachricht ist: Wir stehen nicht alleine da, wir bauen Brücken und bilden Allianzen. Denn in der Demokratie brauchen wir Mehrheiten, können wir nur gemeinsam mit anderen Nägel mit Köpfen machen.

So wie im Kanton Bern, wo wir in Stadt und Land Mehrheiten fanden für das Netto-Null-Ziel.

So wie an der Landsgemeinde Glarus, die auf Antrag von Jungen Grünen das fortschrittlichste Energiegesetz beschlossen hat.

So wie schliesslich im Kanton Zürich mit dem neuen Energiegesetz, wo wir mit der Klimastreik-Bewegung ebenso zusammengearbeitet haben wie mit Exponent*innen der FDP. An dieser Stelle gilt unser grosser Dank und unser Applaus unserem Kollegen und Zürcher Regierungsrat Martin Neukom. Das macht Mut!

Mut für die Klimainitiative, wo wir mit der SP – ihr habt es gelesen – eine starke Allianzpartnerin haben für ein gemeinsames Initiativprojekt.

Und Mut für die Europainitiative, wo wir mit Operation Libero und all jenen, die sich konstruktiv den Realitäten stellen wollen, am gleichen Strick ziehen.

Wir brauchen keine wahnwitzigen Ideen von «Quartier-AKWs», wie sie Atomfans von Neuem fordern.

Und auch keine riesigen Tesla-SUVs: Weil es sinnlos ist, 2 Tonnen Blech zu bewegen um 80 Kilogramm Lebendgewicht von A nach B zu transportieren – auch wenn der Antrieb elektrisch ist.

Wir brauchen nicht «more of the same» in der Wachstumsspirale, sondern Ideen, Innovationen und Lösungen, die das Gemeinwohl ins Zentrum stellen.

Und diese haben wir – mit Überzeugung.

Und wir haben die Zuversicht und den politischen Willen, diese Lösungen umzusetzen, Allianzen zu bilden auch mit jenen, die nicht zu 100 Prozent unsere Werte und Vorstellungen teilen. Allianzen für ambitionierte, für fortschrittliche und gerechte Lösungen, mit denen wir die Transformation zu einer postfossilen, zu einer klimagerechten Gesellschaft schaffen – in der Schweiz und darüber hinaus.

Und wir haben die Kraft, Mehrheiten zu finden in der Bevölkerung.

Bringen wir Bewegung in die Politik!

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