Man erinnert sich: unter Berufung auf das Cassis-de-Dijon-Prinzip (CdD-Prinzip) wollte der Bundesrat vor einem Jahr in vorauseilendem Gehorsam Jet-Ski auf Schweizer Seen zulassen. Nach massivem Protest, auch von den Grünen, hat der Bundesrat das Vorhaben abgeblasen. Doch jetzt soll das CdD-Prinzip an der Sondersession im Nationalrat durchgeboxt werden. Das Prinzip sieht vor, dass aus einem EG-Land importierte Produkte, die nach den nationalen Vorschriften des Exportlandes hergestellt worden sind, grundsätzlich überall in der EG in Verkehr gebracht werden dürfen. Mit dem neuen Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse soll dieses Prinzip auch für die Schweiz gelten.

Doch im Wettbewerb um tiefe Preise ist davon auszugehen, dass mit diesem Prinzip hohe Standards, die auch die Qualität von schweizerischen Produkten begründen, geschleift werden. Im Grunde würde die Latte für Sozial- und Umweltstandards auf das unterste Niveau irgendeines EU-EWR-Landes gesenkt, falls keine harmonisierten Bestimmungen der EU existieren. An diesem Grundsatz ändern die vorgesehene Ausnahmeliste und eine Spezialregelung für Lebensmittel nichts Wesentliches.

Das CdD-Prinzip meint vorerst die Anforderungen an importierte Güter. Doch um eine Diskriminierung von inländischen Produzenten zu verhindern, wird ihnen erlaubt, nach denselben niedrigen Sozial- und Umweltbestimmungen zu produzieren, die für die importierten Waren gelten (Verhinderung der Inländerdiskriminierung). Man muss lediglich nachweisen können, dass die Produkte den technischen Vorschriften eines EG- oder EWR-Mitglieds entsprechen. Durch solches Öko- und Sozialdumping werden Unternehmen, die auf gute standards setzen, geradezu gezwungen, diese zu senken.

Die Einführung des CdD-Prinzips erfolgt ohne Not und ohne Gegenrecht der EU und ihrer Länder. Die Schweiz gibt damit ein Verhandlungspfand im Austausch mit der EU ohne irgendeine Gegenleistung aus der Hand.

Der Bundesrat behauptet, die KonsumentInnen würden in hohem Mass von tieferen Preisen profitieren. Das bezweifeln die Grünen. Zum einen ist ein grosser Anteil des höheren Preisniveaus in der Schweiz auf innenpolitische Faktoren zurückzuführen (hohe Produktionskosten, hohe Mieten, Agrarschutz etc.), zum andern ist nicht gewährleistet, dass die günstigeren Importe vollumfänglich auf die Preise weitergegeben werden.

Die Grüne Fraktion wird das CdD-Prinzip in der Sondersession ablehnen. Sie ist der Meinung, dass es für die Schweizer Wirtschaft von Vorteil ist, wenn sie auf hohe soziale und Umwelt-Standards setzt.