Heute genau in einem Jahr stehen wir ab dem Mittag gebannt vor den Bildschirmen mit den Hochrechnungen. Sitzen am Computer. Schauen nervös auf unsere Handys. Und bald wird klar: Wir GRÜNE sind erneut im Aufwind. Einige Stunden später die Gewissheit: GRÜN hat gewonnen, ist so stark wie nie zuvor.

So stelle ich mir das vor. Dafür kämpfen wir, dafür kämpfen wir alle zusammen. Und ich bin überzeugt, dass wir es schaffen.  

Liebe GRÜNE 
Chères Vertes, chers Verts 
Cari verdi 
 
Weil es uns GRÜNE braucht, mehr denn je. 
Weil es eine kompetente, konsequente und soziale Klimaschutzpolitik braucht, mehr denn je.  
Weil es mehr Politiker*innen braucht in Bern, für die grüne Politik nicht ein Hype ist, eine Welle, auf der sie surfen, sondern das, was uns vor Jahren, vor Jahrzehnten überhaupt erst in die Politik gebracht hat – GRÜN im Herzen: mehr denn je! 

Und wenn uns das gelingt, dann wird der Druck so stark steigen, dass GRÜN endlich auch in den Bundesrat einzieht.  

Wir sind bereit dafür. Bereit für den Aufbruch, den wir im Interesse unserer Zukunft so dringend brauchen. Bereit für die Verantwortung, die wir schon heute mittragen in den Exekutiven von Kantonen, Städten und Gemeinden. 

Wir sind bereit mit unserer Politik, die den tiefgreifenden, realen Wandel will.

Den Knalleffekt, die reine Show, die heisse Luft  – das überlassen wir gerne anderen. Und genau deshalb stellen wir hier und heute keine Bundesratskandidatur für die Nachfolge von Ueli Maurer vor.  
Wir GRÜNEN sind schon profiliert. Heute suchen wir nicht die Profilierung – sondern die echte Verantwortung.  

Die kommende Ersatzwahl ist abgekartet: Selbst eine linke SP-Nationalrätin wie Tamara Funiciello sagt in aller Öffentlichkeit, dass die SVP natürlich Anspruch auf zwei Sitze hätte… Und selbst wenn uns die SP unterstützt hätte: Auch der Präsident der GLP betonte unmissverständlich: Die zwei SVP-Sitze sind in der GLP unbestritten. Die gleiche GLP, deren Fraktionspräsidentin 2019 zwar den Sitzanspruch der GRÜNEN als verständlich bezeichnete, aber dann Regula Rytz kritisierte als dezidierte Linksaussenpolitikerin und Ignazio Cassis lobte für seine «liberale und europafreundliche Grundhaltung».  

Genau deshalb stellen wir heute keine Bundesratskandidatur vor für die Nachfolge von Ueli Maurer: Weil wir die echte Verantwortung suchen, nicht eine Rolle in einem abgekarteten Spiel. 

Wir setzen auf Nachhaltigkeit. Auf eine verantwortungsvolle, auf eine ehrliche, auf eine ambitionierte Politik, die sich daran misst, wie wir die Jahrhundert-Herausforderung Klimakrise meistern. Unsere Politik ist die Grundlage für unseren Erfolg in den Parlamentswahlen in einem Jahr, am 22. Oktober 2023.

Und auf dieser Grundlage hat eine grüne Kandidatur für den Bundesrat in einem Jahr eine reelle Chance – und steht damit für realen Wandel. Dafür sind wir bereit – und bereit für den Aufbruch, den wir im Interesse unserer Zukunft so dringend brauchen.

Bereit für zukunftsfähige Lösungen.

Bereit Brücken zu bauen.

Bereit, den politischen Gegner*innen für Kompromisse Hand zu bieten.

Bereit auch, bisweilen mit uns selbst zu ringen, Interessenkonflikte auszuhalten statt auszublenden. 

Mit Blick auf die letzten Monate und Jahre kann ich mit Überzeugung sagen: Wir haben bewiesen, dass wir für all das bereit sind:

Nicht nur auf Bundesebene. In zahllosen Gemeinden und Kantonen haben wir in den Parlamenten und Exekutiven zukunftsfähige Lösungen auf den Weg gebracht. Vor einem Jahr zum Beispiel hier im Kanton Zürich, wo das ambitionierte Energiegesetz unseres Zürcher Baudirektors Martin Neukom mit 62,6 Prozent Ja-Stimmen angenommen wurde – in allen Bezirken des Kantons. Danke GRÜNE Zürich, danke Martin Neukom: und viel Erfolg bei euren Wahlen Anfang Februar! 

Und auch auf Bundesebene haben wir unzählige Male gezeigt: Wir sind bereit, gemeinsam zukunftsfähige Lösungen zu erarbeiten. Wir haben es beispielsweise vergangene Session geschafft, die Solaroffensive in Rekordzeit durchs Parlament zu bringen und damit ganz konkret eine Solarpflicht beschlossen für alle geeignete Bundesinfrastruktur bis 2030 und – leider nur eingeschränkt – auch eine Solarpflicht für Neubauten. Dabei haben wir die Dilemmata nicht ausgeblendet, sondern ausgehalten:

zwischen dem dringend nötigen Solarausbau einerseits,  
und legitimen Naturschutzinteressen und verfassungsrechtlichen Bedenken andererseits.

Um es in aller Klarheit zu sagen: Die Hauruck-Gesetzgebung zur Solaroffensive wurde nur darum notwendig, weil man über Jahre nicht auf die grüne Forderung nach mehr Effizienz, nach einem Stopp der Energieverschwendung und nach einem Ausbau der Erneuerbaren gehört hat. 

Ja, wir müssen die Erneuerbaren ausbauen für die Klimawende. Aber Ausbau allein ist nicht die Lösung! 

Wenn wir das Effizienzpotential auf dem aktuell verfügbaren technischen Niveau ausnutzen, in der Industrie, in den Haushalten, dann können wir bis zu 40 Prozent des Stroms einsparen – der Umfang aller AKW! 

Überall sprechen die Rechten davon, dass der Staat effizienter werden muss: Warum sollte die öffentliche Hand nicht endlich dafür sorgen, dass wir, dass die Schweiz effizienter wird, effizienter im Stromverbrauch, indem wir endlich die Verschwendung bekämpfen!? 

Wir GRÜNE sind bereit, die Schweiz zu bewegen,  
in den richtigen Allianzen, auch aus der Gesellschaft heraus:

Gezeigt haben wir es mit der Gletscherinitiative, einem Musterbeispiel eines direktdemokratischen Prozesses, der zu zukunftsweisenden Lösungen führt: 

Vor sechs Jahren, eine Initiative aus der Zivilgesellschaft – mit grüner Beteiligung im Hintergrund, praktisch vom Anfang an. Ich erinnere mich noch gut, am 2. November, wie Marcel Hänggi und ein Kollege von ihm bei mir am Esstisch sassen.  
Ich erinnere mich an unzählige Sitzungen mit Fachmenschen und brütend über juristischen Fragen. Die Gründung des Unterstützungsvereins für die Gletscherinitiative, am 25. August 2018, das einzige Mal, dass ich im vergangenen Jahrzehnt an einer DV der GRÜNEN gefehlt habe, damit ich euch eine Videobotschaft schicken konnte damals nach Zug, vom schmelzenden Steingletscher beim Sustenpass. 

Vor einem Jahr waren wir GRÜNE in der UREK mit federführend bei der Erarbeitung eines Gegenvorschlags, mit dem das Parlament den Steilpass übernehmen konnte, erstmals einen ambitionierten CO2-Absenkpfad in ein Gesetz goss, aber zusätzlich noch ganz konkret ein Netto-Null-Ziel 2040 für die Bundesverwaltung einbaute, eine Innovationsförderung und zwei Milliarden Franken für Heizungsersatz: Ersatz von Öl- und Gas-, aber auch von den Stromfresser-Elektro-Heizungen. Darum ist das Gesetz eben kein Stromfresser-Gesetz, wie es die SVP absurderweise behauptet, sondern ein Stromspar-Gesetz.

Wir GRÜNEN stützen Initiativen für zukunftsfähige Lösungen, bauen Brücken für tragfähige Vorlagen.

Und was sagt die SVP? Gletscherinitiative: Nein.

Eigene Lösungsvorschläge: Fehlanzeige – kä Luscht!

Gegenvorschlag: Wieder nein.

Stattdessen schürt die SVP Ängste vor Dunkelheit und Kälte. Malt Schreckgespenste von Hunger und Tod an die Wand.  

Die SVP tut das, was die SVP an besten kann: Probleme bewirtschaften, die sie selbst mitverursacht hat. 

Die SVP ist durch ihr ewiges Festhalten an den Fossilen massgeblich mitverantwortlich für die aktuelle Krisensituation – und weist dann die Schuld jenen zu, die mit der Energiestrategie 2050 eine Zukunftsperspektive aufgezeigt haben – leider zusammengestutzt von rechts. 

Ob Fratelli d’Italia, AfD, Rassemblement national, Trumps Republikaner oder die SVP: Sie alle haben die Kuckuckseier der Krisen gelegt, an denen sie sich nähren.

Der Bundesrat in seiner jetzigen Zusammensetzung macht – die Vögel mögen’s mir verzeihen – demgegenüber eher auf Vogel Strauss:

Den Kopf so lange in den Sand stecken, bis man ihn nicht mehr rausbringt. Hoffen, dass sich die Probleme in Luft auflösen, wenn man nicht hinschaut.

Die Europapolitik ist das Paradebeispiel, die Energieeffizienz ein anderes, wo die Regierung die Empfehlungen ihrer eigenen Expert*innen schlicht nicht zum Nennwert nimmt. 

Wir GRÜNE stehen für eine andere Politik. Wir legen keine Kuckuckseier und stecken den Kopf nicht in den Sand. Wir wollen eine lebenswerte Zukunft aktiv politisch gestalten, den überfälligen Aufbruch in das postfossile Zeitalter. Wir sehen uns nicht als Angstmacherinnen und Problembewirtschafter, sondern als Ingenieure einer lebenswerten Zukunft, als Architektinnen des Wandels.

Die Zukunft, die kommt ganz von alleine – welche Zukunft das ist, liegt aber in unseren Händen.

In unseren Händen als GRÜNE hier im Saal, indem wir unsere Ziele, unsere Vorschläge mit Verve vertreten. In unser aller Hände als Wählerinnen und Wählern bei den Wahlen in einem Jahr.

Welche Politik wir machen und wählen, hat einen Einfluss – auf das Klima, auf die Biodiversität, auf eine lebenswerte, lebensfähige Zukunft für alle – nicht nur für die Reichen im so genannten Norden. Welche Politik wir machen, wir wählen, hat einen Einfluss – gegen die verhängnisvolle Abhängigkeit von den Fossilen, gegen die Abhängigkeit von Autokraten, die ihren Einfluss massgeblich auf den Fluch der Rohstoffe gründen. Unsere Politik, unsere Wahl in einem Jahr hat Einfluss darauf, ob wir die menschgemachten Probleme ignorieren, negieren, bewirtschaften oder ob wir einen Aufbruch wagen, dessen Notwendigkeit durch die Potenzierung der Krisen schmerzhaft offensichtlich geworden ist.

Unsere Politik, unsere Wahl in einem Jahr hat Einfluss darauf, ob wir konstruktiv mitbauen, an einem Europa der Demokratien, der Zusammenarbeit, der Menschenrechte – oder ob wir Krisen und Kriege nähren, die wir auch hier in der Schweiz immer schmerzhafter zu spüren bekommen.

Wir GRÜNE sind bereit für den Aufbruch. Wir haben es gezeigt. 

Und wir werden es zeigen, mehr denn je – ab heute, im angebrochenen Wahljahr, indem wir unsere zukunftsweisende, verantwortungsvolle Politik mit Lust und Engagement vertreten. 

Ich freue mich darauf – mit euch allen – der Endspurt hat begonnen, der Endspurt auf die entscheidende Wahl im Herbst 2023, in genau einem Jahr! 

Ich zähle auf Dein Engagement, auf Deins, auf Deins, auf Deines… Danke, Danke, Danke!! 

Wir packen das! 

Präsidialrede (PDF)