Seit ihrer Gründung sind die GRÜNEN avantgardistisch im Kampf für soziale Offenheit und die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung aller Menschen, unabhängig von ihrer Lebensweise und ihrer persönlichen Eigenschaften. Für die GRÜNEN ist klar, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben und die gleichen Chancen erhalten müssen, unabhängig von ihren biologischen Geschlechtsmerkmalen, mit welchem Geschlecht sie sich identifizieren (Geschlechtsidentität), wie sie aussehen (Geschlechtsausdruck) und von wem sie sich sexuell oder emotional angezogen fühlen (sexuelle oder romantische Orientierung). 

Trotz Fortschritten in der Gleichberechtigung der Geschlechter ist unsere Gesellschaft nach wie vor stark geprägt durch patriarchale Strukturen und ein binäres Modell, in dem sich alle als Frau oder als Mann definieren müssen und in dem stereotype Rollenvorstellungen zu Diskriminierungen vor allem von Frauen und queeren Menschen führen. Viele Menschen sind gezwungen, in diesem binären Schema zu leben und erkennen sich in diesem Gesellschaftsmodell nicht wieder. Sie müssen ihre Identität unterdrücken und brauchen eine Alternative, da die erlittene oder antizipierte Diskriminierung und soziale Ausgrenzung viel Leid und psychische Belastung für sie erzeugen.  

Das in unserer Gesellschaft leider nach wie vor allgegenwärtige binäre Geschlechtermodell und patriarchale Vorstellungen führen zur ungleichen Behandlung von Geschlechtern und zu Diskriminierungen. Sie verleiten dazu, den eigenen Geschlechtsausdruck den binären Normen anzupassen und dadurch zur Aufrechterhaltung und gar Verhärtung der gesellschaftlichen Konformität beizutragen.  

Doch die Forschung sowohl in den Naturwissenschaften und der Medizin als auch in den Sozialwissenschaften zeigt, dass die Geschlechtsidentität nicht von den biologischen Geschlechtsmerkmalen abhängig ist. Die Geschlechtsidentität kann den biologischen Geschlechtsmerkmalen entsprechen, muss aber nicht. Es ist vielmehr Sache jeder einzelnen Person, ihre Beziehung zum eigenen Geschlecht zu leben und ihre Geschlechtsidentität so auszudrücken, wie sie es für richtig hält. 

Die Bedeutung, die dem Merkmal Geschlecht heutzutage beigemessen wird, ist unverhältnismässig hoch, was zu Sexismus und Diskriminierung der verschiedenen Geschlechtsidentitäten und -ausdrücken und folglich auch zu Diskriminierung aufgrund von sexuellen oder romantischen Orientierungen führt. Die Bedeutung des Geschlechts als sozial definiertes und erwartetes Merkmal muss daher reduziert, die heutigen Kategorien Mann und Frau ergänzt und das bestehende binäre Modell überwunden werden, um einer inklusiven und gleichberechtigten Gesellschaft näher zu kommen. 

Gleichzeitig müssen strukturelle und institutionelle Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass alle Geschlechter gleiche Chancen und Möglichkeiten haben, sich frei und entsprechend ihrer Interessen und Fähigkeiten zu entfalten.  

Der Kampf für eine gleichberechtigte Gesellschaft ist untrennbar mit dem Recht aller Menschen verbunden, ihre Geschlechtsidentität sowohl innerhalb als auch ausserhalb des traditionellen binären Geschlechtersystems zu definieren (Recht auf Nicht-Binarität). Der Einsatz für die Freiheit jeder Person, gemäss ihrer eigenen Identität zu leben, schwächt die anderen Kämpfe für Gleichberechtigung und soziale Offenheit nicht ab. Im Gegenteil, dieser Kampf bestärkt das gleichzeitige Engagement der GRÜNEN gegen jegliche Formen von Ungleichheit und Diskriminierung. 

In diesem Sinne definieren die GRÜNEN Schweiz die folgenden Grundsätze für die politischen Positionen der Partei: 

  1. Die GRÜNEN streben eine Gesellschaft an, die die Pluralität und Vielfalt unter anderem der Geschlechtsidentitäten und der Geschlechtsausdrücke als Reichtum und nicht als Bedrohung ansieht.  
  2. Die GRÜNEN setzen sich für eine Gesellschaft ein, in der es jeder Person freisteht, ihre sich im Lebenslauf wandelnde Geschlechtsidentität sicher und gleichgestellt zu leben.  
  3. Die GRÜNEN sind der Ansicht, dass die Beschränkung auf die Geschlechter «Mann» und «Frau» zu restriktiv ist, um die Vielfalt von Geschlechtsidentitäten und Geschlechtsausdrücke zu verkörpern. Daher fordern die GRÜNEN die Aufnahme einer dritten Geschlechtsoption in den Zivilstand, um die beiden Kategorien «Frau» und «Mann» zu ergänzen. Die GRÜNEN setzen sich dafür ein, die Gesetze, Regelungen und Verfahren so anzupassen, dass Personen, die sich in dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht nicht vollständig wiederfinden, dieses problemlos und ohne diskriminierende Folgen ändern können. 
  4. Die GRÜNEN setzen sich für die Aufnahme einer Garantie zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität in das Strafgesetzbuch ein. 
  5. Die GRÜNEN verpflichten sich, in der Schweiz die Prinzipien zur Anwendung der Menschenrechte in Bezug auf sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität (Yogyakarta-Prinzipien) zu fördern. 
  6. Parteiintern verpflichten sich die GRÜNEN, die Anerkennung aller Geschlechtsidentitäten zu leben, unter anderem durch die Verwendung einer inklusiven Sprache, die nicht-binäre Ansprache der Mitglieder, die besondere Beachtung aller Formen struktureller und impliziter Diskriminierung und die Ermutigung der Kantonalsektionen, eine interne Diskussion über Geschlechtsidentität zu führen.