Auf in die Klimawahl!

Liebe GRÜNE

Schön euch hier zu sehen. Erholt, entschlossen und voller Tatendrang. Den brauchen wir auch. Denn das war nicht nur ein heisser Sommer. Das wird auch ein heisser Herbst.

Es hat sich etwas verändert in den letzten Monaten. Die Natur hat in aller Deutlichkeit gezeigt, wer am längeren Hebel sitzt. Nicht die Rappenspalter, nicht die Papiertiger, nicht die Schönredner. Nein. Die Sonne. 44 Grad in Kalifornien, 33 Grad in Sibirien, Dürre und Ernteausfälle in Europa, Waldbrände in Schweden und Griechenland – die Welt schwitzt und trocknet aus. Und wir sind mittendrin.

Das ist die Klimakrise, klar. Wir wissen, dass sie stattfindet. Wir wissen, dass die Menschen verantwortlich sind. Wir wissen, dass wir rasch etwas tun müssen. Wir alle ganz persönlich, die Wirtschaft und auch die Politik.

Das Bundesparlament beugt sich seit Monaten über ein neues CO2-Gesetz und hat das Klimaabkommen von Paris unterschrieben. Nur eine Partei war dagegen. Ihr dürft raten. Alle anderen haben mitgeholfen, aber manchmal frage ich mich, ob sie wirklich gelesen haben, was drin steht. Es ist eine Herkulesaufgabe. Es geht nämlich um nichts Geringeres, als bis in die zweite Jahrhunderthälfte vollständig auf Gas, Öl und Kohle zu verzichten. Die zweite Jahrhunderthälfte – das ist in 30 Jahren. Also bald.

Zum Glück hilft uns die Technik. ForscherInnen und weitsichtige UnternehmerInnen entwickeln seit vielen Jahren umweltschonende Verfahren, investieren in grüne Energie, fördern die Kreislaufwirtschaft. Das schafft lokale Arbeitsplätze und spart Kosten. Eine ökonomische und ökologische Win-Win-Situation. Doch das Absurde ist: Das sind immer noch Nischenmärkte. Und in Bundesbern sägt man an dem dünnen Ästchen, auf dem sie sitzen.

Ihr kennt die Fakten: Da ist einmal Bundesrätin Doris Leuthard. Sie wird nicht nur als Erbauerin der zweiten Gotthardröhre in die Geschichte eingehen, sondern auch als doppelter Wendehals beim Atomausstieg. Die Wiederinbetriebnahme des ältesten AKW der Welt pulverisiert alle Versprechungen für eine neue Energiepolitik in der Schweiz. Es gibt keinen Ausstiegsplan, keine Investitionssicherheit und kaum Fortschritte beim Zubau von grünem Strom. Wisst ihr, wie hoch der Anteil Solarstrom am Schweizerischen Stromverbrauch im letzten Jahr war? 2,8 Prozent! Die Schweiz ist einmal mehr das europäische Schlusslicht in der Umweltpolitik. Früher war Pioniergeist oder Ehrgeiz noch etwas wert. Heute ist aus Ehrgeiz eher Geiz geworden. Nicht bei uns GRÜNEN. Aber bei den bürgerlichen Rechtsrutschparteien.

Auch die grossen Energiekonzerne machen es nicht besser. Im letzten Jahr haben Alpiq, Axpo, BKW und Repower im Schnitt mehr als zwei Drittel ihres Stroms mit fossilen und nuklearen Energiequellen produziert. Im Vergleich zum Vorjahr haben sie den CO2-Ausstoss sogar erheblich erhöht – trotz Pariser Klimaabkommen.

Doch auch sie sind nicht allein. Sie sind in bester Gesellschaft mit den Autoimporteuren. Die schaffen es tatsächlich, immer schwerere und grössere Autos in die Schweiz zu holen. Und werden nicht einmal gebüsst dafür. Im Gegenteil: Der Chef des Bundesamtes für Strassen will den Panzerfahrzeugen breitere Strassen und doppelstöckige Autobahnen bauen. Im letzten Jahr ist der CO2-Ausstoss der neuen Personenwagen zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder gestiegen. Ja, was nützt denn der ganze technische Fortschritt, wenn man ihn einfach ignoriert? Für mich ist klar: Die Politik muss verbindliche Rahmenbedingungen für den Sprung in das nach-fossile Zeitalter setzen, sonst schaffen wir es nicht. Sie muss Foul-Regeln und rote Karten einführen. Wie hat es Erich Fried doch so schön gesagt: Wer will, dass die Welt bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt.

Die Wende kann nur gelingen, wenn wir GRÜNE gestärkt werden. Auf uns kommt es an, gerade in der Klimapolitik. Präzise heute vor 10 Jahren haben die Jungen Grünen ihre Stopp-Offroader-Initiative lanciert. Sie haben sie zurückgezogen, weil ihnen der Bundesrat eine schnellere Umsetzung per Gesetz versprochen hat. Heute wissen wir: Das war leeres Geschwätz. Wenn wir die Welt nicht verheizen wollen, dann brauchen wir einen neuen Anlauf. Und neue Koalitionen. Vor allem aber müssen wir die nationalen Wahlen 2019 gewinnen. Denn die nationale Wahlen 2019 werden zur Klimawahl.

Es hat sich etwas verändert in den letzten Monaten. Immer mehr Menschen wissen, dass wir mit kleinen Schritten nicht schnell genug vorwärts kommen. Es reicht nicht mehr, einen effizienteren Kühlschrank zu kaufen und die Abfalltrennung zu optimieren. Es geht um viel grundsätzlichere Fragen. Es geht darum, unsere Lebensgrundlagen langfristig zu erhalten. Es geht darum, die begrenzten Ressourcen gerechter zu verteilen. Es geht darum, Wachstums- und Profitzwänge zu überwinden. Es geht darum, Technik klug zu nutzen, ohne sich ihr unterzuordnen. Es geht darum, im Zeitalter der Digitalisierung Arbeitsplätze und Einkommen zu erhalten. Es geht um Fairness und Ausgleich, über die Landesgrenzen hinaus. Es geht um Grundrechte und Respekt in einer Gesellschaft der Vielfalt. Es geht um das gute Leben. Es geht um das menschliche Mass.

All das ist der Kern unseres GRÜNEN Programms. Doch es reicht nicht, nur im eigenen Milieu Applaus zu bekommen. Dafür sind die gesellschaftlichen Herausforderungen zu gross. Es muss uns gelingen, den grossen Zuspruch zu grünen Themen in politische Stärke umzumünzen. Wir sind auf gutem Weg dazu.

Gerade mit der Fair-Food-Kampagne haben wir eine neue gesellschaftliche Breite erreicht. Bäuerinnen und Bauern, Konsumentenorganisationen, Spitzenköchinnen, Tierschutz und Hilfswerke – alle unterstützen unsere Initiative. Die erste Umfrage war so sensationell, dass Economiesuisse und Co. das grobe Geschütz aus dem Keller holen mussten. Sie werden uns bis zum Abstimmungssonntag diffamieren und sie werden «Fake News» in die Welt setzen – wir kennen das. Doch wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen. Denn wir können in dieser Kampagne nicht verlieren, wir können nur gewinnen. Dank einer Allianz mit den Bauern konnten wir das Ziel des nachhaltigen Handels bereits in der Bundesverfassung verankern. Wir zeigen nun auf, wie es umgesetzt werden kann. Wir holen die Themen ans Licht, die im normalen Politalltag ein Schattendasein fristen. Wir reden über den Wert der Nahrung, über Gerechtigkeit, über die Würde der Menschen, über das Wohl der Tiere und über die katastrophalen Spielregeln des Welthandels.

Ich empfehle allen Kritikerinnen und Kritikern unserer Initiative, wieder einmal den Agrarbericht der Weltbank und der UNO zu lesen. Weltbank und UNO – das sind keine grünen Fundis. Trotzdem zeigen sie auf, dass die derzeitigen Weltmarktbedingungen für Agrarprodukte nicht der Grundversorgung mit gesunden Lebensmitteln und deren nachhaltiger Produktion dienen. Nein, sie fördern die industrielle Landwirtschaft und die Gewinne der Agroindustrie. Sie zerstören die bäuerlichen Einkommen und unsere Lebensgrundlagen. Sie zerstören aber auch das Vertrauen in die Politik. Ein Kurswechsel ist dringend nötig. Diesen Punkt sollten wir bis zur Abstimmung noch viel stärker ins Zentrum rücken. Denn wenn wir über den schrankenlosen Freihandel reden, dann reden wir auch über die Wurzeln des Rechtspopulismus, der die Demokratie weltweit in Frage stellt.

Der Harvard-Ökonom Dani Rodrik hat bereits 1997 den Zusammenhang von Hyperglobalisierung und Rechtsnationalismus untersucht. Schon damals war ihm klar, dass nur intelligente Reformen der globalen Handelsregeln einen Rückfall in den Nationalismus und in die Abschottung à la Trump verhindern können. Wir GRÜNE nennen das «den dritten Weg». Und der heisst fairer Handel statt schrankenloser Freihandel. Die WTO ist dysfunktional geworden, sagte Rodrik diesen Sommer in der Financial Times. Ein faires und funktionierendes Handelssystem müsse Raum für Diversität lassen, und zwar in allen Ländern. Genau das ist das Ziel der Fair-Food-Initiative. Wir werden nachher auf dem Podium noch mehr dazu hören. Wer fair produzierte Lebensmittel will, wem Tierschutz und Umweltschutz wichtig sind, der stimmt für die Initiative.

Nach einem heissen Sommer steht ein politisch heisser Herbst vor der Tür. Überall sind wir gefordert. Bei den Kampagnen zu den Velo- und Ernährungsabstimmungen vom 23. September. Bei der höchst kontroversen Debatte zur Steuervorlage 17, die nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen ist. Bei der Vorbereitung der Klimawahl im nächsten Jahr. Und natürlich auch bei den kantonalen Wahlen hier in Zug. Wir wünschen der Zuger Alternative – die Grünen viel Glück dabei. Seit über 40 Jahren setzt ihr euch hier, im Zentrum der globalen Gewinnmaximierung, unerschrocken für faire Spielregeln, Konzernverantwortung und Steuergerechtigkeit ein. Und für die Menschen, die darunter leiden, dass eine kleine globale Elite immer mehr in die eigenen Taschen steckt. Das wollen wir ändern. Und wir haben Rückenwind.

Die Wahlen in Zug, die nationalen Wahlen 2019 sind eine Klimawahl. Eine Klimawahl im wortwörtlichen – aber auch im übertragenen Sinn. Denn wir entscheiden dabei auch über das soziale und wirtschaftliche Klima in diesem Land. Der Rechtsrutsch im nationalen Parlament hat uns überall in eine Sackgasse geführt. Das können wir ändern. Im Ton ruhig, in der Haltung gelassen, im Herz entschlossen, kämpfen wir für Recht und Menschlichkeit. Es gewinnt die Seite mit der grösseren Leidenschaft. Also wir!

Präsidialrede (PDF)