Gemeinsam gegen Rechtspopulismus und Umweltzerstörung

Fast 60 Prozent der Stimmberechtigen haben den SVP-Angriff auf den Rechtsstaat Ende Februar bachab geschickt. Dieser Sieg ist auch unser Sieg. Es waren wir Grünen, die vor zwei Jahren die sogenannte Zivilgesellschaft wieder wachgeküsst haben. Am Tag nach dem Ja zur SVP-Zuwanderungs­initiative, am 10. Februar 2014, haben wir das Bündnis für eine offene Schweiz ins Leben gerufen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren sind in der Folge rotgrüne Parteien, Kultur­schaffende, Gewerkschaften, Migrations­organisationen, Jugendverbände und Studierende wieder an einen Tisch gesessen und auf die Strasse gegangen. Dabei ging es explizit NIE um die Frage, welche Organisation sich auf der Bühne am besten in Szene setzen kann. Nein, es ging einzig darum, gemeinsam gegen Rechtspopulismus und Abschottung zu gewinnen. So soll es bleiben.

Unser erstes Ziel war ein klares Nein zur Ecopop-Egoismus-Initiative. Das haben wir erreicht. Das zweite Ziel war ein Nein zur Durchsetzungs­initiative. Auch das haben wir geschafft. Doch zum Feiern bleibt keine Zeit, denn der Kampf gegen den Rechtspopulismus geht in die nächste Runde. In Kürze wird die SVP ihre Völkerrechtsabschaffungs-Initiative einreichen. Wie Griechenland in der Zeit der Militärdiktatur will sie international anerkannte Menschenrechte über Bord werfen. Das ist nicht nur ein Spiel mit dem Feuer. Nein, es ist ein Schritt zurück in die Steinzeit, als noch das Recht des Stärkeren galt.

Gegen diesen erneuten Angriff auf die Grundwerte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit werden wir wieder in die Hosen steigen. Wir wollen die Menschenrechtsabschaffungsinitiative bodigen und auch den drohenden Bruch mit den bilateralen Verträgen verhindern. Wir Grünen waren immer die Antipode der Rechtspopulisten und der Nationalisten, und wir werden es bleiben.

Es ist schön, eine Abstimmung zu gewinnen. Doch noch viel wichtiger ist es, die Ursachen der nationalkonservativen Revolution zu erkennen. Sie gewinnt auch in wirtschaftlich erfolgreichen Ländern an Boden. Neben der Schweiz z.B. in Deutschland, wo die Arbeitslosenzahlen auf einem Rekordtief sind. Auch die USA sind wirtschaftlich in guter Verfassung. Doch das ist nur die oberflächliche Sicht. Die Zahl der Gutbetuchten steigt global. Doch die Mittel- und Unterschichten haben von den Früchten des ressourcenverschlingenden Wachstums schon lange nicht mehr profitiert. Im Gegenteil: Sie stehen unter massivem Dumping-, Flexibilisierungs- und Leistungs­druck. Haarsträubende Populisten wie Donald Trump befeuern ihren Zorn. Der richtet sich zuallererst gegen Migrantinnen und Migranten. Doch nicht die Flüchtlinge sind das Problem, sondern die Verantwortungslosigkeit der wirtschaftlichen Eliten. Wer Ungleichheit sät, wird Konflikte ernten. Wer Kriegsmaterial verkauft, wird Flüchtlinge ernten. Wer in Ölfirmen investiert, wird Naturzerstörung und damit Migration ernten. So einfach ist das – und so zynisch.

Es nützt deshalb nichts, wenn die neue FDP-Präsidentin Petra Gössi in den Medien ein bisschen gegen die SVP wettert. In Tat und Wahrheit sitzt sie und sitzt auch der neue CVP-Präsident mit der SVP im gleichen Wirtschafts-Boot. Sie selber sind Teil des internationalen Freihandels- und Steuerdumping-Kartells, das Vermögenswerte rund um den Globus verschiebt – in die Taschen der Eliten. Sie selber vertreten eine Finanzpolitik, die Autobahnen und das Militär vergoldet und Milliarden­geschenke an internationale Konzerne verteilt. Gespart wird dafür bei der Entwicklungs­zusammen­arbeit, bei Bildung, Kultur und beim Umweltschutz. Diese Abrissbirnen-Politik ist nicht neu – ihr kämpft in vielen Kantonen dagegen an. Doch mit dem Präsidiums­wechsel bei den bürgerlichen Parteien droht nun vollends die Verschwyzerung und die Verzugerung der Schweiz.

Wer in diesem Land noch ganz normal seine Steuern bezahlt, wird selbst vom neuen Finanzminister Ueli Maurer für dumm verkauft. Dieser verteidigt die Offshore-Finanzplätze und ruft offen zur Steuerflucht auf. Das lassen wir nicht zu. Wir Grünen werden in der nächsten Session die Abschaffung von Briefkastenfirmen verlangen und unsere alten Forderungen nach einer besseren Kontrolle der Finanzmärkte und der Vermögensverwalter bekräftigen. Der Offshore-Augiasstall muss endlich ausgemistet werden – ein Fall für die Grünen.

Der Rechtsrutsch der nationalen Wahlen hat bereits in vier Monaten viel Schaden angerichtet. Der Werkplatz ist unter Druck, die AHV und die Prämienverbilligungen sind unter Druck, die Klima- und Energiepolitik ist unter Druck, die Grund- und Freiheitsrechte sind unter Druck. Krempeln wir also die Ärmel hoch. Wir haben in den nächsten Monaten grosse Heraus­forderungen anzupacken.

Erstens kommen im Herbst gleich zwei nationale grüne Volksinitiativen an die Urne. Wir stimmen über den ökologischen Umbau der Wirtschaft und den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie ab. Am 26. April startet die Kampagne mit einem Aktionstag zu 30 Jahren Atomkatastrophe in Tschernobyl. Unsere beiden Initiativen sind nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Arbeitsplätze und die lokale Wirtschaft eine grosse Chance. Beide Initiativen nehmen die Verantwortung gegenüber den zukünftigen Generationen wahr. Diese wollen nicht auf teuren und gefährlichen Altlasten sitzen bleiben, sondern ihre eigenen Entscheidungen treffen, frei von den Zwängen und den Fehlern der Vergangenheit.

Um Freiheit geht es auch bei unserem zweiten Thema. Freiheit wird von den bürgerlichen Parteien heute nur als Abwesenheit von staatlicher Regulierung verstanden. Die Freiheit, zu tun und lassen was man will, die Freiheit zu raffen und zu profitieren wie man will. Eine selektive Freiheit also, die nur den Starken nützt. So war es nie gemeint. Freiheit ist in einer Demokratie immer an Verantwortung und sozialen Ausgleich geknüpft. Und an einen Staat, der die Grundrechte jedes Individuums schützt. Dieser Teil der Freiheit ist mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz und mit der Überwachung des Post-, Telefon- und Mailverkehrs in Gefahr. Als Partei der Grundrechte und des Datenschutzes werden wir deshalb Kante zeigen und einen Abbau der Bürgerrechte gegen den Strom bekämpfen.

Die dritte grosse Herausforderung ist die ständige Erneuerung der Grünen. Jede Organisation muss von Zeit zu Zeit ihre Strukturen, ihre Aktionsformen und Schwerpunkte überdenken. Ich möchte deshalb mit dem neuen Präsidium zusammen das Projekt „Zukunft grün“ starten. Dabei wollen wir über Wachstumskritik und alternative Wirtschaftsformen genauso diskutieren wie über die Repolitisierung der Ökologie und die Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen. Schon heute ist klar, dass wir dabei nicht immer einer Meinung sein werden. Und das ist gut so. Auseinandersetzungen und Debatten gehören zu einer lebendigen Partei. Auch heute Nachmittag wird es ja einige Kontroversen geben. Ich freue mich darauf.

Ich freue mich auch darauf, für zwei weitere Jahre mit einer starken Crew an der Seite an der Spitze der Grünen zu stehen. Es wird eine junge Parteileitung sein, die Kontinuität mit Erneuerung verbindet und in der Frauen und Männer zu gleichen Teilen vertreten sind. Typisch grün, kann man da nur sagen. Ich danke euch!

Präsidialrede (PDF)