Nein zur Volksinitiative «Bestimmung der Bundesrichterinnen und Bundesrichter im Losverfahren»

  • Die Justiz-Initiative will ändern, wie das Parlament die Richter*innen des Bundesgerichts wählt. Dies obwohl kein dringender Handlungsbedarf für einen vollständigen Systemwechsel besteht. Das aktuelle Verfahren gewährleistet, dass die Richter*innen fachlich kompetent sind und unabhängig entscheiden können.  
  • Das vorgeschlagene Los-Verfahren führt nicht zu einer besseren Abbildung der verschiedenen gesellschaftlichen Einstellungen. Im Gegenteil, es verschleiert sie. Das jetzige System (d.h. Wahl nach Parteienproporz) hingegen stellt sicher, dass die ganze Breite an Weltanschauungen, Regionen und Geschlechter am Gericht angemessen vertreten ist (respektive bei Untervertretung gezielt gestärkt werden kann). Diese Repräsentativität ist für die Akzeptanz von Urteilen unabdingbar. 
  • Die Schweiz braucht eine starke, unabhängige und breit anerkannte Justiz als dritte Gewalt. Dafür setzen wir GRÜNE uns mit Verbesserungsvorschlägen im Parlament ein, beispielsweise für die Entpolitisierung der Wiederwahl der Richter*innen. Die Justiz-Initiative schlägt aber – ohne Not – ein Experiment vor, mit ungewissem Ausgang für unsere Demokratie. 
  • Bemerkung zu den Mandatsabgaben: Die Mandatsabgaben fliessen hin zu den Parteien und beeinflussen die Richter*innen nicht in ihrer Unabhängigkeit (dies wäre nur in die umgekehrte Richtung der Fall). Die GRÜNEN setzen sich für eine staatliche Parteienfinanzierung und gleichzeitig hohe Transparenz bei der Politikfinanzierung ein. Eine transparente Parteienfinanzierung würde es erlauben, auf Mandatsabgaben von Richter*innen zu verzichten. Diese Finanzierung muss aber zuerst sichergestellt sein, bevor die Mandatsabgaben wegfallen, sonst werden die Parteien nochmals zusätzlich gegenüber den Lobbys und Verbänden geschwächt. 

Heute wählt das Parlament die Richter*innen ans Bundesgericht, nachdem die parlamentarische Gerichtskommission sie beurteilt und für kompetent befunden hat. Um die Breite der Weltanschauungen abzudecken, erfolgt eine ungefähre Verteilung nach Parteienproporz. Die Richter*innen werden dem Parlament alle sechs Jahre zur Wiederwahl vorgeschlagen. Sie entrichten zudem Mandatsabgaben an diejenige Partei, welche sie empfohlen hat.  

Die Justiz-Initiative möchte dieses Auswahlsystem ändern. Sie wird hauptsächlich getragen von einem reichen Initianten (Adrian Gasser), der sie mit viel Ressourcen-Einsatz zustande brachte – ansonsten treten kaum Personen des Initiativ-Komitees öffentlich in Erscheinung. Die Initiative will, dass Bundesrichter*innen künftig von einer politisch unabhängigen Fachkommission nach fachlicher und persönlicher Eignung vorselektiert und dann per Los ausgewählt werden. Die Richter*innen würden ihr Amt dann ohne Wiederwahl behalten bis maximal 5 Jahre nach dem Pensionsalter. Durch die wegfallende Parteibindung entfallen die Mandatsabgaben. Die Initianten betonen, dass sie mit ihrer Initiative die Unabhängigkeit der Richter*innen stärken möchten. 

Wir GRÜNE anerkennen, dass sich das Justizsystem stets weiterentwickeln muss, z.B. braucht es mehr Teilzeit-Richter*innen-Stellen, mehr Transparenz und bessere Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit zu Verhandlungen. Die Justiz-Initiative ist aber der falsche Weg dazu. Diese Ansicht vertreten nicht nur die GRÜNEN, sondern auch alle anderen Parteien und der Bundesrat. Sie wird von allen Parteien und dem Bundesrat abgelehnt. Im Parlament erhielt die Initiative nur eine Stimme (bei vier Enthaltungen), alle anderen Parlamentarier*innen lehnten sie ab. 

Die Unabhängigkeit der Richter*innen ist gegeben

Die Initiant*innen bemängeln, dass Richter*innen heute nicht unabhängig entscheiden, sondern unter Druck der Parteien stehen. Dem ist nicht so: Die Mandatsabgabe ist ein Geldfluss von den Richter*innen hin zu den Parteien, bietet also keine Hebel für eine Beeinflussung der Richter*innen. Die Gerichte sind auch sonst frei in ihren Beratungen und Entscheidungen. 

Abbildung der Gesellschaft ist für die Akzeptanz der Urteile wichtig

Das vorgeschlagene Los-Verfahren ist in unserem System fremd und wenig akzeptiert. Im Gegensatz zu Los-Verfahren, welche zum Ziel haben, die Gesamtbevölkerung repräsentativ abzubilden (beispielsweise für Bürger*innen-Räte), macht das Los-Verfahren der Justiz-Initiative keine Vorgaben bezüglich Ausgewogenheit der Ausgewählten. Als Folge könnte es zu einer einseitigen Besetzung des Bundesgerichts kommen, denn kein Mensch, kein*e Richter*in ist gänzlich unpolitisch. Das jetzige System stellt sicher, dass die ganze Breite an Weltanschauungen, Regionen und Geschlechter am Gericht vertreten ist respektive bei Untervertretung gezielt gestärkt werden kann. Diese Repräsentativität ist für die Akzeptanz von Urteilen unabdingbar. Die Gerichtskommission, welche sich um die Vorauswahl kümmert, stellt schon heute sicher, dass die vorgeschlagenen Kandidierenden fachlich kompetent sind. 

Ein gefährliches Experiment für die Schweizer Demokratie

Die Schweizer Demokratie braucht eine starke, unabhängige und breit anerkannte Justiz als dritte Gewalt. Dafür setzen wir uns mit Reformen im Parlament ein. Die periodische Wiederwahl bietet eine Plattform für Angriffe auf die Richter*innen, die bisher aber nie erfolgreich waren. Die GRÜNEN engagieren sich im Parlament stark für eine Entpolitisierung des Wiederwahl-Prozesses. 

Insgesamt funktioniert das Schweizer Justizsystem. Die Initiative ist deshalb ein gefährliches Experiment ohne Not, das zudem die Parteien unnötig schwächen würde – die ebenfalls ein wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Demokratie sind. Mangels einer geregelten Parteienfinanzierung sind viele nationale und kantonale Parteien auf die Abgaben von Richter*innen angewiesen. Die GRÜNEN setzen sich grundsätzlich als Alternative für eine staatliche Parteienfinanzierung und gleichzeitig hohe Transparenz bei der Politikfinanzierung ein. Eine transparente Parteienfinanzierung würde es erlauben, auf Mandatsabgaben von Richter*innen zu verzichten. Diese Finanzierung muss aber zuerst sichergestellt sein, bevor die Mandatsabgaben wegfallenSonst werden die Parteien nochmals zusätzlich gegenüber den finanzstarken Lobbys und Verbänden geschwächt.